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Warten auf ein zweites Referendum?

Susanne Henn13. Oktober 2008

Beim letzten Krisengipfel der EU-Regierungschefs war die Ratlosigkeit groß: Irland hatte gegen den EU-Vertrag von Lissabon gestimmt und so dessen Inkrafttreten zum 1.1.2009 verhindert. Wird es ein neues Referendum geben?

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Auszählung der Stimmen nach dem Referendum über den EU-Reformvertrag (13.06.2008/AP)
Die letzte Auszählung brachte ein "Nein" der Iren zum EU-Reformvertrag. Wird es eine zweite Abstimmung geben?Bild: AP

„Wir haben einmal abgestimmt, wir haben unsere Antwort gegeben, Ende der Geschichte!“ Für diesen Zeitungsverkäufer in der Dubliner Innenstadt ist die Sache erledigt: Vier Monate nachdem die Iren den EU-Vertrag von Lissabon abgelehnt haben, gehen die Diskussionen über ein mögliches zweites Referendum aber weiter.

Im Juni hatten 53 Prozent der irischen Wähler dem Text eine Absage erteilt und damit den aktuellen Reformprozess der EU mindestens verzögert, wenn nicht sogar ganz zu Fall gebracht. Über die Sommermonate hinweg hat die Regierung nun - statt Urlaub zu machen - Umfragen analysiert, Statistiken ausgewertet, Gespräche geführt und bedauernd festgestellt: Es gibt keine schnelle Lösung.

Hoffnung auf ein zweites Referendum

Alte Straßenbahn im Stadtteil Bairro Alto von Lissabon (29.10.2003)
"Die einzigen Menschen, die die irische Verfassung ändern können, sind die Bürger"Bild: picture-alliance/ dpa

Der irische Europaminister Dick Roche möchte die Hoffnung auf ein zweites Referendum nicht aufgeben. „Ich habe immer wieder den Kollegen aus der Europäischen Union gesagt, dass es besser ist, sich Zeit zu nehmen, es richtig zu machen, als zu einer unbefriedigenden Lösung zu hetzen.“ Die Aushandlung von Extraklauseln für Irland ist eine der Möglichkeiten, die die Regierung zur Zeit prüft, um den Vertrag doch noch zu retten.

„Die einzigen Menschen, die die irische Verfassung ändern können, sind die Bürger“, sagt Roche. Die irische Regierung müsse jetzt zeigen, dass sie die Themen angehe, die die Iren beschäftigen. Dann gebe es keinen Grund, ein zweites Referendum auszuschließen.

Zu wenige Informationen, zu viele Gerüchte

Klar ist mittlerweile, dass über 40 Prozent der irischen Nein-Sager sich vor der Abstimmung schlecht informiert gefühlt haben. Und klar ist auch, dass auch viele derjenigen, die mit „Ja“ gestimmt haben, verwirrt waren. „Ich wusste ehrlich gesagt nicht, wofür genau ich abstimme“, erzählt eine Irin.

Im Nein-Lager gab es mehrere Gründe für die Ablehnung des Vertrages: Zum einen spielte die Angst, einen ständigen Kommissar in Brüssel oder die militärische Neutralität zu verlieren, eine Rolle. Zum anderen gab es Gerüchte über die Verpflichtung in einer gesamteuropäischen Armee oder die Lockerung der Abtreibungsgesetzgebung.

Europaparlamentarierin MaryLou MacDonald von der Sinn Féin-Partei hat aktiv für ein „Nein“ gekämpft und will kein zweites Referendum. „Wenn wir ernsthaft behaupten wollen, dass die Europäische Union ein Projekt ist, das auf demokratischen Prinzipien basiert, was sollen wir denn dann mit einer Situation anfangen, in der die EU ständig die demokratischen Entscheidungen ihrer Bürger ablehnt?“, sagt sie. Für sie ist das eine sehr besorgniserregende Entwicklung.

Kein Vertrag von Lissabon ohne die Iren

Europakarte mit dem Stand der Ratifizierung im Juli 2008. Irland hat als einziges Land den Reformvertrag komplett abgelehnt.
Irland hat als einziges Land den Vertrag abgelehnt (rot). Länder, die schon ratifiziert haben sind grün markiert; Staaten, bei denen der Prozess noch offen ist, gelb.Bild: AP Graphics/DW

Das irische Parlament könnte allerdings - sozusagen am Volk vorbei - einige Teile des Lissabonner Vertrags durchwinken und den Rest an eine anders formulierte Frage binden. Zum Beispiel: „Soll Irland Vollmitglied der EU bleiben?“ Damit würde die Regierung wohl ein missmutiges „Ja“ der grundsätzlich sehr europafreundlichen Stimmberechtigten erzwingen.

Ohne zweites Referendum in Irland würde der Vertrag von Lissabon jedenfalls endgültig scheitern - selbst wenn alle anderen 26 EU-Länder den Text bis Ende des Jahres ratifizieren sollten. Der Dubliner Andenkenverkäufer Steven sieht es gelassen: „In der Vergangenheit gab es bei uns auch schon zwei Referenden. Wir hatten zwei für den Vertrag von Nizza, also klingt zwei für Lissabon doch auch ganz fair.“ Er würde dann wohl allerdings auch wieder mit „Nein“ stimmen.