Vierergruppe gibt sich gegenüber China zahm
6. Oktober 2020Bei dem ersten Treffen des "quatrilateralen Sicherheitsdialogs" (kurz: Quad) seit einem Jahr haben die Außenminister der USA sowie von Japan, Australien und Indien ihr gemeinsames Ziel eines "freien und offenen Indo-Pazifiks" bestätigt. Mike Pompeo (USA), Marise Payne (Australien), Subrahmanyam Jaishankar (Indien) und Toshimitsu Motegi (Japan) erklärten, ihre Länder wollten eine regelbasierte internationale Ordnung stärken, teilte die japanische Regierung nach dem Quad-Treffen mit. Damit fiel das Signal der Vierergruppe in Richtung China noch schwächer aus als erwartet, obwohl alle beteiligten Länder derzeit auf die eine oder andere Weise mit China in einem teilweise heftigen Clinch liegen.
Die USA streiten mit China über Handelsungleichgewichte und Technologietransfer und wollen mit höheren Zöllen und Exportverboten für Halbleiter Zugeständnisse erzwingen. Australien hat von China eine unabhängige Untersuchung der Herkunft des Coronavirus gefordert, worauf die Regierung in Peking harte Handelssanktionen gegen Canberra verhängt hat. Und zwischen China und Indien kam es zu Scharmützeln an der Grenzlinie im Himalaya, worauf Indien alle chinesischen Apps verbot. Japan wiederum beschwert sich über zahlreiche chinesische Vorstöße in die Gewässer um umstrittene Inseln im Ostchinesischen Meer.
Neuland für Japan
Trotz des offensichtlich wachsenden Machtbewusstseins von China wollen zumindest Japan, Australien und Indien aus dem Quad-Forum keine Quasi-Allianz oder gar ein asiatisches Militärbündnis nach dem Vorbild der NATO schmieden. Auch eine Strategie ist nicht erkennbar, man belässt es bei Worten. Der Hauptgrund: Die Quad-Länder durchlaufen noch eine Aufbauphase von sicherheitspolitischen und militärischen Partnerschaften. "Vorläufig braucht es noch keine formalen Mechanismen", meinte der frühere US-Vizeaußenminister Richard Armitage vor dem Quad-Treffen.
Vor allem Japan betritt in dieser Hinsicht nämlich Neuland. Der kürzlich zurückgetretene Premierminister Shinzo Abe hatte den Quad-Dialog am Ende seiner ersten kurzen Amtszeit 2007 aus der Taufe gehoben und ihn nach seiner Rückkehr an die Regierungsspitze ab 2013 neu belebt. Durch seine intensive Reisediplomatie stärkte Abe das Bewusstsein in Asien, dass niemand die asiatischen Meereswege für den Warentransport kontrollieren darf und in der Region rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden sollen.
Mehr Spielraum für Tokio
Nach Ansicht von Experten verfolgt Japan mit dieser Strategie das Ziel, seinen außen- und sicherheitspolitischen Spielraum in Asien zu erweitern. "Japan will seine Abhängigkeit von seinem einzigen Sicherheitspartner USA verringern und gleichzeitig mehr eigenständiges Handeln und Verantwortung in der Region signalisieren", erklärte der deutsche Politikwissenschaftler Sebastian Maslow, der an der Frauenuniversität im nordjapanischen Sendai forscht und lehrt. Der neue Premierminister und Ex-Kabinettchef Yoshihide Suga wolle diese diplomatischen Ziele von Abe weiterverfolgen, meinte Maslow.
Noch vor der Wahl von Suga unterzeichnete Japan Anfang September eine Vereinbarung mit Indien über die gemeinsame Nutzung von Militärgütern und Logistik. Die gleiche Abmachung hatte Japan im September 2017 mit Australien getroffen. Die Vereinbarung zwischen Canberra und Neu Delhi folgte im Juni dieses Jahres. Deswegen werden die USA, Indien und Japan ihre gemeinsame Marine-Militärübung in diesem Jahr erstmals mit Australien abhalten. Solche militärischen Kooperationen gehören ebenfalls zum Erbe der Amtszeit von Abe. "Ein Quasi-Bund mit Indien und Australien, die die Werte Freiheit und Demokratie teilen, stellt Japan auf eine stabile Grundlage", schrieb die Wirtschaftszeitung Nikkei in einem Kommentar.
"Bösartige Aktivitäten"
Aber diese Annäherung stößt an enge Grenzen. Indien hat eine traditionelle Aversion gegen Bündnisse und gehört auch der von China initiierten BRICS-Staatengruppe an, zu der noch Brasilien, Russland und Südafrika gehören. Auch Japan will die Spannungen mit China nicht anheizen, wie das Quad-Treffen eindrücklich demonstrierte. "Premier Suga möchte sich nicht in den amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt verstricken, um Japans neuerliche Annäherung an China nicht zu gefährden", erläutert der deutsche Experte Maslow. Chinas Außenminister Wang Yi wird noch im Oktober in Tokio erwartet.
Japans Außenminister Motegi und sein US-Amtskollege Pompeo bezeichneten bei ihrem bilateralen Treffen in Tokio den freien und offenen Indo-Pazifik als "Grundlage für Frieden und Stabilität in der Region". Aber zu China fiel nach außen hin kein kritisches Wort. Dagegen hatten Pompeo und seine australische Amtskollegin Payne bei ihrer Begegnung offen ihre Sorge über Chinas "bösartige Aktivitäten in der Region" geäußert.
Die Regierung in Peking macht aus ihrer Ablehnung der Vierergruppe keinen Hehl. Schon im März 2018 tat Außenminister Wang den Quad-Block als eine "schlagzeilenträchtige Idee" ab. Auch der US-Verbündete Südkorea hält demonstrativen Abstand. "Quad ist keine gute Idee", erklärte Außenminister Kang Kyung-wha am 25. September. Bei dem ersten Telefongespräch zwischen Premier Suga und Südkoreas Präsident Moon Jae-in kam das Stichwort "Indo-Pazifik" denn auch nicht vor.