"Verschleppung des Staatsbankrotts"
11. Juli 2015Es ist geschafft: Das griechische Parlament hat die Reformvorschläge der Regierung Tsipras bewilligt. Damit habe Griechenland wieder Zukunftsperspektiven, schreibt die spanische Zeitung El País. Bis sie umgesetzt sind, sei es zwar ein langer Weg. Aber dass die Regierung ihn geht, daran hat das Blatt kaum Zweifel: "Jetzt wird Tsipras ein Reformprogramm - ein für eine nicht-sozialdemokratische linke Partei wie Syriza kaum erträgliches Wort - umsetzen. Begleitet werden sie vom aufmerksamen Blick des Westens. Und beginnen werden sie damit, die traditionelle Kultur der Subvention, der Vetternwirtschaft und der Korruption zu beenden." Auch wenn es nicht leicht werde, meint El País, die Griechen hätten einen Weg in die Zukunft verdient: "Die Griechen haben fünf Jahre lange in außergewöhnlichem Maß unter der Disziplin von Berlin und Brüssel gelitten. Sie verdienen keine weiteren Salti mortali ins Leere."
Sitzen in Brüssel und Berlin wirklich so strenge Zuchtmeister? Ja, insbesondere in Berlin, schreibt der zurückgetretene griechische Finanzminister Janis Varoufakis in einem Gastbeitrag für den englischen The Guardian. Wolfgang Schäuble habe ganz bewusst einen strengen Kurs vorgegeben, meint er. Warum? Um Griechenland aus der Eurozone zu treiben. Aber zu welchem Zweck? Für Varoufakis ist die Sache klar: "Während der über Monate sich ziehenden Verhandlungen habe ich die Überzeugung gewonnen, dass der deutsche Finanzminister Griechenland aus der Eurozone vertreiben will, um auf diese Weise Furcht bei den Franzosen zu erzeugen und sie dazu zu bringen, sein Modell einer auf Disziplinarmaßnahmen setzenen Eurozone zu akzeptieren."
Disziplin sei angemessen, meint hingegen die französische Zeitung Le Monde, aber an neuen Verhandlungen gehe kein Weg vorbei, um Griechenland vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. "Wäre dieses Vorgehen ein schlechtes Beispiel für all jene Länder, die wie Spanien, Irland und Portugal ebenfalls harte Opfer erbracht haben? Nein. Denn Griechenland wurde zu noch größeren Opfern verdammt: der längsten und strengsten Austeritätskur aller europäischen Länder (innerhalb wie außerhalb der Eurozone)." Einen Unterschied gebe es jedoch: "Athen hat die Reformen, die man jetzt von Herrn Tsipras erwartet, noch nicht umgesetzt." Das sei aber unumgänglich, so Le Monde.
An Tsipras' Reformwillen herrsche Zweifel, schreibt die italienische Zeitung Corriere della Sera. Das Misstrauen unter den Mitgliedstaaten der Eurozone sei groß, vor allem in Angela Merkels Partei, der CDU. Viele Abgeordnete seien skeptisch. Sie vom Sinn eines Schuldenschnitts zu überzeugen, sei nicht einfach. Dennoch: "Nichts ist an diesem Gipfelwochenende ausgeschlossen. Es ist aber auch nichts verloren, wie immer es am Ende ausgehen mag.". Und darum, so die Zeitung, spiele das griechische Referendum vor einer Woche keine Rolle mehr. "Europa hat eine große Lektion gelernt. Darum darf es jetzt nicht scheitern."
Auf einen Erfolg hofft auch die griechische Zeitung Kathimerini - nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus politischen Gründen. Sie erkennt bei der Regierung Tsipras "Symptome der Intoleranz" gegenüber Andersdenkenden und spricht von einem "Totalitarismus, der auf demagogische Rhetorik und Propaganda-Mechanismen alter Schule setzt". Nötig sei eine Europäisierung Griechenlands: "Die einzigen, die diesen Wahnsinn stoppen können, sind die europäischen Institutionen. Wir können nur hoffen, dass diese weiter in dieser Richtung arbeiten werden."
Doch wird sich dieser Aufwand lohnen? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist skeptisch. Sie bezweifelt, dass die griechische Wirtschaft und staatliche Institutionen selbst im Fall erfolgreicher Reformen jemals wettbewerbsfähig werden könnte. Einer möglichen Einigung sieht sie mit Skepsis entgegen: "Trotz all dieser Sackgassen, Winkelzüge und ungeklärten Fragen ist der griechischen Regierung offenbar wieder einmal ein Vorschlag gelungen, den die Kreditgeber nicht einfach in Bausch und Bogen ablehnen können. Angesichts der Athener Eingabe dürften viele Euro-Regierungen in die Versuchung geraten, den griechischen Staatsbankrott noch einmal mit neuem Geld zu verschleppen."