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Guinea-Bissau: Gericht setzt Regierung ab

Johannes Beck / jpw10. September 2015

Das hatte Premierminister Baciro Dja sich wohl anders vorgestellt: Nach nur drei Tagen im Amt erklärte das Verfassungsgericht seine Regierung für illegal. Vertreter der Zivilgesellschaft begrüßen den Schritt.

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Guinea-Bissau Ministerpräsident Baciro Dja
Bild: picture-alliance/dpa/L. Fonseca

Nach den Wahlen im vergangenen Jahr standen die Zeichen für das krisengeplagte Guinea-Bissau eigentlich auf Stabilität. Zwei Männer an der Spitze des Landes teilten sich die Macht: Präsident José Mário "Jomav" Vaz und Premierminister Domingos Simões Pereira. Beide gehören zur Partei der ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung aus Guinea-Bissau und den Kapverden (PAIGC).

Aber es kam anders: Mitte August setzte Präsident Jomav seinen Premier Simões Pereira ab, obwohl der eine Mehrheit im Parlament hinter sich versammelt hat. Gerüchten zufolge spielten dabei persönliche Streitigkeiten zwischen den Familien der beiden Politiker eine Rolle. Am vergangenen Montag ernannte Jomav dann eine neue Regierung. Premierminister wurde sein langjähriger Vertrauter Baciro Dja.

Demonstration in Bissau, Foto: DW/Fátima Tchumá
Demonstration vor der PAIGC-Zentrale im August: Anhänger des geschassten Ministerpräsidenten Simões Pereira protestieren gegen seine EntlassungBild: DW/F. Tchuma

Doch nur drei Tage später folgte das nächste Kapitel in der westafrikanischen Politposse: Am Mittwoch erklärte das Verfassungsgericht in Guinea-Bissau die Ernennung durch Präsident Jomav für illegal. Premierminister Baciro Dja kündigte direkt im Anschluss seinen Rücktritt an. "Der Präsident hat mich soeben über die Entscheidung des Verfassungsgerichts in Kenntnis gesetzt", erklärte er der Presse. "Ich ziehe daraus meine politischen Schlüsse und begebe mich jetzt zum Regierungspalast um meinen Rücktritt als Premierminister offiziell zu verkünden."

Verfassungsgericht schiebt Machtspielen Riegel vor

Bei der Bildung der neuen Regierung hatte Präsident Jomav seine eigene Partei, die PAIGC, übergangen und ein Bündnis mit der oppositionellen Sozialen Erneuerungspartei (PRS) geschmiedet. Mit deren Unterstützung sollte sein enger Freund Baciro Dja eine neue, dem Präsidenten genehme Regierung bilden. Damit wollte Jomav seinen ungeliebten Konkurrenten Domingos Simões Pereira, der gleichzeitig auch Parteivorsitzender des PAIGC ist, entmachten.

Foto: Madalena Sampaio/DW
Präsdent José Mário Vaz: Niederlage vor GerichtBild: DW/M. Sampaio

Doch die Verfassung Guinea-Bissaus sieht ein semi-präsidentielles Regierungssystem vor, in dem sich das Staatsoberhaupt nicht einfach eine Regierung aussuchen kann. Noch bevor der Präsident eine Regierung ernennt, muss er die Führung der Mehrheitspartei im Parlament konsultieren. Dies ist im Falle der Ernennung der Regierung von Baciro Dja nicht geschehen - deshalb schritt das Verfassungsgericht ein.

Für viele Beobachter kam die Entscheidung überraschend. Bisher war Guinea-Bissau nicht durch eine strikte Einhaltung politischer Spielregeln aufgefallen. Selbst in den chaotischen Jahren zwischen 2009 und 2012, als beinahe halbjährlich geputscht wurde, spielte das Verfassungsgericht keine nennenswerte Rolle.

"Schritt zum Aufbau des Rechtsstaates"

Umso erfreuter zeigte sich die Präsidentin des Verbands der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Guinea-Bissau über die Entscheidung des Gerichts: "Das unterstützt den Wert des Rechtsstaates, des Friedens und der Demokratie", sagte Fatoumata Djau Baldé gegenüber der DW. Der Präsident müsse nun die Ernennung Baciro Djas zurücknehmen und sich an die Verfassungsvorgaben halten.

Auch der Historiker und Jurist Fode Mané hält das Urteil des Gerichts für die richtige Entscheidung: "Für mich ist das ein Schritt zum Aufbau unseres Rechtsstaates und zur Konsolidierung unserer Demokratie", sagte Mané mit Blick auf das Chaos der vergangenen Jahrzehnte. "Wenn sich jemand gegen die Regeln verhält, muss er dafür verantwortlich gemacht werden."

Geberkonferenz von Guinea-Bissau in Brüssel Domingos Simoes Pereira, Foto: Madalena Sampaio/DW
Kehrt Ex-Premier Domingos Simões Pereira nun zurück?Bild: DW/M. Sampaio

Präsident Jomav bleiben nun zwei Möglichkeiten: Entweder er löst das Parlament auf, kündigt Neuwahlen an und ernennt bis dahin eine provisorische Übergangsregierung. Oder er macht eine Kehrtwende und setzt den alten Premierminister Domingos Simões Pereira wieder ein.

Letzteres wäre zwar eine persönliche Schmach ihn, würde aber längere, unsichere Übergangsperioden vermeiden. Dazu kommt, dass Guinea-Bissau Neuwahlen derzeit wohl kaum finanzieren könnte. Schon bei den letzten Wahlen mussten die internationalen Geber einspringen. Zwar hatten sie auf einer Geberkonferenz im März noch eine Milliarde Euro an Finanzhilfen in Aussicht gestellt, doch damals waren Jomav und Domingos Simões Pereira noch vereint aufgetreten. Nach dem Chaos der vergangenen zwei Monate dürfte bei den Gebern die Spendierlaune deutlich gesunken sein.