USA rücken von Strauss-Kahn ab
18. Mai 2011Eine Französin, ein Brite, ein Inder sowie zwei Deutsche - die Spekulationen über die Nachfolge von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sind in vollem Gange. Und das, obwohl der 62-jährige Franzose noch nicht der versuchten Vergewaltigung eines Zimmermädchens in einem New Yorker Hotel überführt ist. Eigentlich sollte daher noch die Unschuldsvermutung gelten.
Doch dafür ist die Besetzung der Spitzenfunktion des Internationalen Währungsfonds (IWF) wohl zu wichtig. Denn in der Nacht zu Mittwoch (MESZ, 18.05.2011) forderte US-Finanzminister Timothy Geithner die IWF-Verantwortlichen auf, eine Interimsführung zu ernennen. Er könne sich zwar zu dem konkreten Fall nicht äußern, aber Strauss-Kahn sei derzeit offensichtlich nicht in der Lage, den IWF zu leiten. Es sei daher wichtig, dass das IWF-Direktorium offiziell jemanden einsetze, der für eine Übergangszeit die Führung übernehme. Wer dies sein könnte und ob diese Person auch langfristig das Amt des IWF-Chef übernehmen solle, dazu äußerte sich Geithner nicht.
Als mögliche Kandidaten an der IWF-Spitze werden die französische Finanzministerin Christine Lagarde, der ehemalige britische Premier Gordon Brown sowie ein Berater des indischen Regierungschefs Manmohan Singh genannt. Die "Bild"-Zeitung nennt auch den Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sowie den Chef der in London ansässigen Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Thomas Mirow, als mögliche deutsche Kandidaten.
Bislang kein Kontakt zu Strauss-Kahn
Nach der Festnahme am Samstag hatte John Lipsky die Aufgaben als IWF-Chef übernommen. Lipsky ist offizieller Stellvertreter von Dominique Strauss-Kahn. Aus dem Umfeld des IWF-Direktoriums hieß es, dass das Führungsgremium Kontakt zu Strauss-Kahn aufnehmen wolle. Dabei soll die Frage geklärt werden, wie er selbst seine Zukunft beim IWF sehe, hieß es in Direktoriumskreisen.
Das 24-köpfige Gremium kann Strauss-Kahn von seinem Posten entheben. Eine Person aus dem Umfeld des Direktoriums sagte, ideal wäre ein Rücktritt. Eine zweite Person erklärte aber, dass diese Sicht nicht von dem gesamten Gremium geteilt werde.
Strauss-Kahn offenbar selbstmordgefährdet
Strauss-Kahn soll am Samstag in einem New Yorker Hotel ein Zimmermädchen sexuell angegriffen und zum Oralsex gezwungen haben. Eine Haftrichterin lehnte am Montag eine Entlassung auf Kaution ab. Der Franzose wurde in eine Einzelzelle auf die Gefängnisinsel Rikers Island gebracht. Dort steht er Justizkreisen zufolge unter besonderer Beobachtung, um eine Selbstmordgefährdung auszuschließen. Er werde öfter beobachtet als gewöhnlich. Dabei handele es sich allerdings um eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Die New Yorker Ermittler präsentierten sechs Anklagepunkte, darunter versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung sowie ein "sexueller krimineller Akt", was im US-Strafrecht erzwungenen Oral- oder Analverkehr bezeichnet.
Eine sogenannte "Grand Jury" muss nun bis zum nächsten Anhörungstermin am Freitag über eine formelle Anklage des 62-Jährigen entscheiden. Die Sitzung der Geschworenen findet hinter verschlossenen Türen und ohne Anwesenheit eines Richters statt.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf die Ergebnisse einer rechtsmedizinischen Untersuchung des mutmaßlichen 32-jährigen Opfers, die auf einen sexuellen Übergriff hindeuten soll. Ermittler hatten auch die Hotelsuite in New York auf Spuren untersucht. Der US-Fernsehsender Fox News berichtete unter Berufung auf Polizeikreise, dass dort neben DNA-Material auch Blut auf den Bettlaken gefunden worden sei.
Der Anwalt des mutmaßlichen Opfers, Jeff Shapiro, sagte im US-Fernsehsender CNN, seine Mandantin stehe unter "außerordentlichem" Schock. Seit dem Vorfall habe sie weder nach Hause noch zur Arbeit gehen können. Sie wolle auf jeden Fall in den Zeugenstand treten, falls es zum Prozess kommt. Derzeit arbeite sie mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen. Die 32-Jährige ist laut CNN eine allein stehende Mutter, die vor ein paar Jahren aus dem westafrikanischen Guinea in die USA eingewandert sei.
Spekulation über Verteidigungstaktik
US-Medien berichten über die mögliche Verteidigungsstrategie. So könne Strauss-Kahn "einvernehmlichen" Sex mit dem mutmaßlichen Opfer einräumen. Dann stünde Aussage gegen Aussage. Die Boulevardzeitung "New York Post" will dies von einer Quelle im Strauss-Kahn-nahen Umfeld erfahren haben. Die Verteidiger des IWF-Chefs wollten sich dazu nicht äußern. Sein Anwalt William Taylor sagte, er wisse nicht einmal, wer diese "Quelle" sein solle.
Autorin: Marion Linnenbrink (dapd, dpa, afp, rtr)
Redaktion: Michael Wehling