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Ringen um Finanzen

Heiner Kiesel21. November 2013

Eine Woche noch, dann soll der Koalitionsvertrag stehen. Ein ambitioniertes Ziel, denn viele Sachfragen sind noch offen. Jetzt trifft sich die große Verhandlungsrunde erneut in der CDU-Parteizentrale.

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Konrad-Adenauer-Haus in Berlin, Partei-Zentrale der CDU (Foto: Imago)
Bild: imago

Große Koalition: Schachern um Kompromisse

Die gute Nachricht für die Verhandlungspartner in den Koalitionsgesprächen ist, dass man sich auf alles irgendwie einigen kann, wenn genug Geld da ist. Die schlechte: eigentlich wollen SPD und CDU sparen. Aus der Koalitions-Arbeitsgruppe Finanzen meldete sich CDU-Finanzexperte Norbert Barthle und erklärte, man werde Einnahmen und Ausgaben des Bundes so gestalten, dass 2014 der strukturelle ausgeglichene Haushalt stehen und "dass wir ab 2015 ohne neue Schulden auskommen". Jetzt treffen sich Unionspolitiker und Sozialdemokraten zum siebten Mal in einer großen Runde, um auszuloten, was denn von den Plänen und Einigungen der vielen anderen Arbeitsgruppen machbar ist. Insgesamt 50 Milliarden Euro würde das Wunschpaket kosten, das dort geschnürt wurde. Unter 10 Milliarden dürfen es nur sein. Es wird ein Spagat. "Wir müssen Zukunftsaufgaben finanzieren und auf der anderen Seite Schulden abbauen", sagte SPD-Finanzexperte Joachim Poß in der ARD.

Die SPD hatte im Wahlkampf und in den bisherigen Verhandlungsrunden diverse Vorschläge eingebracht, wie die Finanzierung zu schaffen wäre– ein Teil davon durch, so Poß, "die stärkere steuerliche Inanspruchnahme von Millionären und Milliardären". Dies stößt bei CDU und CSU auf Ablehnung. "Keine Steuererhöhungen!", sagte Unionsfraktionsführer Volker Kauder der Neuen Osnabrücker Zeitung. Aus Verhandlungskreisen wurde bekannt, dass man versuchen werde, die Ausgaben auf unter 10 Milliarden Euro zu drücken. Wahrscheinlich wird das erst in der kommenden Woche angegangen werden. Noch weiter vertagt werden wirkliche Entscheidungen im Bereich der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Dabei einigten sich Union und SPD laut Barthle auf die Einrichtung einer gemeinsamen Kommission, wobei auch Vertreter der Kommunen einbezogen werden sollten. Ergebnisse werden von diesem Gremium erst im Laufe der kommenden zwei Jahre erwartet. Es ist die Einigung auf eine spätere Einigung. Durch diesen Schachzug verschaffen sich die Verhandlungspartner in diesen längsten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder Spielraum.

Porträt Norbert Barthle (Foto: dapd)
Norbert Barthle will die Entscheidung über die Finanz-Prioritäten nicht in seiner Arbeitsgruppe treffenBild: dapd

Integration und Gesundheit

Einen weiteren Themenblock der heutigen Gespräche stellen die Herausforderungen im Bereich Gesundheit und Pflege dar. Einig ist man sich, dass eine Arbeitsgruppe bis Ende des kommenden Jahres eine Klinikreform auf die Beine stellt, durch die die Qualität der Behandlung verbessert werden soll. Weiterhin möchten die Verhandlungspartner, dass bestehende Überkapazitäten abgebaut werden. Kliniken sollen nach Bedarf in Gesundheits- und Pflegezentren umgebaut werden. Auch soll die Hilfe für Demenzkranke ausgedehnt und mehr Geld für die Pflege außerhalb von Heimen bereitgestellt werden. Es gibt aber noch viel Uneinigkeit zwischen den Parteien. Bei den Krankenkassenbeiträgen möchte die SPD, dass die Arbeitgeber wieder die Hälfte der Beiträge ihrer Angestellten zahlen sollen und bei Beitragserhöhungen steigern müssen, was der Union nicht gefällt. Bei der Pflege möchte die Union hingegen größere Rücklagen bilden, während die SPD den Pflegebeitrag erhöhen möchte.

Alter Mensch von hinten (Foto: dpa)
Demenzkranke sollen nach einer Neudefinition der Pflegekriterien besser versorgt werdenBild: picture-alliance/dpa

In der Integrationspolitik streiten die Parteien noch um die doppelte Staatsbürgerschaft. Es besteht noch Hoffnung, dass die 75 Vertreter von SPD und CDU/CSU hier substanziell weiterkommen. Vor den Gesprächen hatte Aydan Özoguz, Vize-Vorsitzende der SPD, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa Kompromissmöglichkeiten beim Streit über die doppelte Staatsbürgerschaft skizziert. "Ich könnte mir vorstellen, dass man sich auf einen Prüfauftrag verständigen könnte." Es wäre denkbar, "irgendwann einen Generationenschnitt zu machen, so dass jemand nach zwei oder drei Generationen nicht mehr automatisch mehrere Staatsbürgerschaften bekommt." Eigentlich möchte die SPD erreichen, dass Migranten und ihre Kinder mehrere Staatsangehörigkeiten haben können. Die Union lehnt eine Mehrstaatigkeit ab.

Endspurt-Stimmung

Trotz aller ungeklärten Finanzierungs- und Sachfragen soll in einer Woche ein Koalitionspapier fertig sein. Das werde noch ein sehr schmerzlicher Prozess werden, meinte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Ihr Parteichef Sigmar Gabriel beschwichtigte, es gehe aber nicht um die Quadratur des Kreises. Zupackend äußerte sich der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, der sagte: "Jetzt geht es in den Schlussspurt, in den nächsten vier, fünf Tagen muss alles zurecht geruckelt werden. Ich bin optimistisch, dass es am Ende ein gutes Ergebnis wird." Gewohnt vage, aber optimistisch sagte die geschäftsführende Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel: "Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das gelingen kann. Ob wir es schaffen, wird man dann in einigen Tagen sehen." Geradezu drängelnd wirkt da Unions-Fraktionschef Kauder. Er mahnt, dass es Zeit werde, zu einer Regierung zu kommen. "Es dauert länger, als es sein müsste."