UN befürchten Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea
5. November 2005Der Weltsicherheitsrat hat den japanischen UN-Botschafter Kenzo Oshima in die umstrittene Grenzregion der ostafrikanischen Nachbarländer Eritrea und und Äthiopien geschickt. Er soll mit den dort stationierten UN-Soldaten sprechen, um sich ein Bild über die Lage zu machen, und dann dem Sicherheitsrat Bericht erstatten. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, er sei auch bereit, selbst in die Region zu reisen, wenn sich die Lage noch verschärfen sollte.
"Die Mitglieder des Rates rufen beide Seiten zu einem Höchstmaß an Zurückhaltung auf", sagte der amtierende Ratspräsident, der russische UN-Botschafter Andrej Denisow, am Donnerstag Ortszeit (3.11.2005) nach Beratungen in New York. Jede Eskalation müsse vermieden werden.
Auf der Kippe
Zuvor hatte schon UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärt, er sei "tief besorgt". Er rief den Weltsicherheitsrat am Donnerstag auf, "entscheidende Schritte zu unternehmen, um die zunehmenden Spannungen zu entschärfen". Annan drängte beide Staaten, sofort alle Aktivitäten einzustellen, die von der jeweils anderen Seite missverstanden werden oder die Sicherheitsvereinbarungen gefährden könnten.
Äthiopien weigert sich seit drei Jahren, die Entscheidung einer unabhängigen Kommission zum Grenzstreit anzuerkennen, obwohl es sich zuvor dazu verpflichtet hatte. Die Grenzkommission hatte einen umstrittenen Ort Eritrea zugeschlagen. Die UN-Mission in der Grenzregion zwischen beiden Ländern (UNMEE) wies am Donnerstag darauf hin, dass die beiden Länder in den vergangenen 10 bis 15 Tagen Panzer, Luftabwehrraketen und Soldaten an der gemeinsamen Grenze zusammengezogen hätten. Das mache die Situation gefährlicher, sagte Kommandeur Rajender Singh. Die Lage könne sich verschlechtern. "Und das schlimmste ist natürlich Krieg."
Gewalt in Addis Abeba
Unterdessen kam es am Freitag (4.11.2005) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba den vierten Tag in Folge zu gewaltsamen Protesten gegen die Regierung. Die Polizei feuerte Schüsse in die Luft, um die aufgebrachte Menge zu zerstreuen. Am Vortag waren nach Krankenhausangaben drei Menschen erschossen worden. Insgesamt kamen damit seit Montag mindestens 42 Menschen bei den Unruhen ums Leben.
Die Unruhen sind die heftigsten seit Monaten und richten sich gegen einen angeblichen Wahlbetrug der Regierung von Ministerpräsident Meles Zenawi bei der Parlamentswahl im Mai. Zu den Demonstrationen hatte die oppositionelle Koalition für Demokratie und Einheit (CUD) aufgerufen, die in Addis Abeba viele Anhänger hat, darunter zahlreiche Studenten. Sie hatten bereits im Juni gegen das Wahlergebnis protestiert. Damals kamen 36 Menschen ums Leben. Die Führung der CUD wurde am Dienstag unter dem Vorwurf verhaftet, die Gewalt in der Hauptstadt gesteuert zu haben.
Krieg um einen kargen Flecken
Auf den ersten Blick haben die gewaltsam niedergeschlagenen Proteste der Opposition gegen das Wahlergebnis nichts mit dem seit Jahren schwelenden Grenzkonflikt am Horn von Afrika zu tun. Möglicherweise ging der äthiopische Ministerpräsident Meles Zenawi davon aus, dass die Unruhen in Addis Abeba von den Spannungen an der Grenze ablenken würden. Doch da könnte er sich verrechnet haben: Geberländer mögen es nicht, wenn die Opposition mit massiver Gewalt eingeschüchtert wird. Unter den Opfern der Schießereien waren auch mehrere Kinder. Die internationale Gemeinschaft schaut nun vermutlich genauer hin, was dort eigentlich an der Grenze zwischen Äthiopien und Eritrea vor sich geht.
In der Region hatten die Staaten 1998 bis 2000 einen erbitterten Krieg geführt, der zu den absurdesten in der jüngeren Geschichte Afrikas zählen dürfte. Beide Länder stritten um gut 400 Quadratkilometer karges Land, weil sie sich nicht auf den Verlauf der Grenze einigen konnten. Dabei hatte sich Eritrea 1993 ganz einvernehmlich von Äthiopien getrennt. Etwa 80 000 Menschenleben später einigte man sich auf den Waffenstillstand und die Einsetzung einer unabhängigen Grenzkommission. Äthiopien wirft Eritrea vor, das Friedensabkommen vom Dezember 2000 zu missachten. Es sieht vor, die Grenze zu markieren. (stu)