Viele Ukraine-Flüchtlinge werden nicht bleiben können.
19. Januar 2016Wegen des Krieges im Osten der Ukraine seien bisher mehr als 7.000 Menschen aus ihrer Heimat nach Deutschland geflohen und hätten Asylanträge gestellt, berichtet die "Frankfurter Rundschau". Viele von ihnen hätten nun in den vergangenen Wochen ablehnende Bescheide erhalten.
In den wachsenden Warteschlangen von Asylbewerbern in Deutschland stehen bislang vergleichsweise wenige ukrainische Flüchtlinge. Nach Angaben der deutschen Behörden beantragten im Februar 2014, während der Ereignisse auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitspatz in Kiew, 31 Ukrainer Asyl in Deutschland. Ab dann stieg deren Anzahl deutlich. Der "Frankfurter Rundschau" zufolge stellten im Jahr 2014 insgesamt 2.703 Ukrainer einen Asylantrag in Deutschland, 2015 waren es rund 4.400. Doch nur 5,3 Prozent der Anträge würden positiv beschieden oder die Antragsteller dürften nicht abgeschoben werden, so die Zeitung. "Mit jedem ablehnenden Bescheid geht eine Ausreiseforderung einher", teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der "Frankfurter Rundschau" mit.
Asyl für Kriegsdienstverweigerer?
Viele Ukrainer würden vor ihrem Kriegsdienst nach Deutschland fliehen. Doch würden sie im Regelfall kein Asyl erhalten, wenn sie aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe in der Ukraine verweigert hätten, stellte die Links-Fraktion in einer Anfrage an die Bundesregierung im Mai 2015 fest. Eine abgeschwächte Schutzgewährung mit einigen Rechtseinschränkungen sei allerdings möglich, da die Kriegsdienstverweigerung aus religiösen oder Gewissensgründen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein Menschenrecht darstelle, das infolge einer Abschiebung verletzt würde, so die Abgeordneten der Linken. Die Beauftragte für Migration und Integration der Linkspartei, Sevim Dagdelen, betonte im Gespräch mit der Deutschen Welle, Deutschland sollte betroffenen Ukrainern volles Asyl gewähren.
In ihrer Antwort auf die Anfrage der Linkspartei erkennt die Bundesregierung zwar an, dass die rechtlichen Regelungen zur Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine "deutlich restriktiver als beispielsweise in Deutschland" seien. Doch die Entscheidung darüber, inwieweit diese Regelungen den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention genügen, obliege dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Im Übrigen gelte unabhängig vom Herkunftsland, dass Artikel 16a des Grundgesetzes (Asylgrundrecht) das Grundrecht auf Verweigerung des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen nicht mit einschließe. Eine Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung sei für sich noch keine politische Verfolgung, sondern im Regelfall eine Strafe wegen der Verletzung einer staatsbürgerlichen Pflicht, die in vielen, auch rechtsstaatlich verfassten Ländern verhängt werde.
Die Hauptgründe für die Flucht
Die Bundesregierung betont ferner, dass eine statistische Auswertung der Asylantragsgründe nicht erfolgt und damit nicht bezifferbar sei, wie viele ukrainische Asylsuchende als Fluchtgrund eine vollzogene oder drohende Wehrdienstverweigerung, Kriegsdienstverweigerung oder Desertation angegeben hätten.
Eine nicht repräsentative Abfrage ukrainischer Asylsuchender habe ergeben, dass Antragsteller aus den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk am häufigsten diese Asylantragsgründe nannten: kriegerische Auseinandersetzungen, eine Verschlechterung der Versorgungslage sowie die eingestellte Auszahlung von Sozialleistungen und Renten. Bezogen auf Antragsteller aus der Republik Krim: russische Präsenz und empfundener Zwang zur Annahme der russischen Staatszugehörigkeit. Bezogen auf Antragsteller aus der übrigen Ukraine: die wirtschaftliche Situation infolge der politischen Krise, geringeres Einkommen und steigende Kosten sowie Angst vor einer landesweiten Ausweitung des Krieges und einer landesweiten Mobilmachung.
Entscheidung war zurückgestellt
Die Anerkennung oder Ablehnung des Flüchtlingsstatus' sollte bei Ukrainern bislang nachrangig bearbeitet werden. Im Sommer 2015 hatte das Bundesinnenministerium das damit erklärt, in den Behörden so menschliche Ressourcen zur Lösung größerer Flüchtlingsprobleme freimachen zu wollen. Seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hieß es, die Anerkennung oder Ablehnung des Flüchtlingsstatus' sei "auf Eis gelegt" worden, weil nicht abzusehen sei, wie sich der Konflikt in der Ukraine entwickeln werde.
Angesichts der Flüchtlingsdebatte in Deutschland wird der Druck auf die Bundesländer nun zunehmen, abgewiesene Ukrainer tatsächlich abzuschieben. Unterdessen ist ein baldiger Frieden im ostukrainischen Konfliktgebiet nicht in Sicht. Obwohl seit Monaten eine Waffenruhe gilt, kommt es zwischen ukrainischen Soldaten und prorussischen Separatisten fast täglich zu bewaffneten Zwischenfällen.