Ukraine aktuell: EU-Munitionslieferungen stocken
24. April 2023Das Wichtigste in Kürze:
- UN-Generalsekretär kritisiert Russland im Sicherheitsrat
- EU entsendet zivile Mission nach Moldau
- Borrell: Lösung im Munitionsstreit in Sicht
- Wagner-Söldner sollen gegnerische Soldaten sofort töten
UN-Generalsekretär António Guterres hat in einer von Russland geleiteten Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen die durch den russischen Angriff auf die Ukraine angerichtete "Verwüstung" angeprangert. Die völkerrechtswidrige russische Invasion in der Ukraine habe "massives Leiden und die Verwüstung des Landes" angerichtet, sagte Guterres in New York in Anwesenheit des russischen Außenministers Sergej Lawrow.
Guterres beklagte auch, dass "das multilaterale System" aktuell so stark unter Druck stehe wie noch nie seit der Gründung der UN im Jahr 1945. Die Spannungen zwischen den "großen Mächten" hätten "den höchsten Punkt" erreicht. Russland hat im April turnusmäßig für einen Monat den Vorsitz im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen inne. Lawrow war für die Sitzung nach New York gereist.
Er warf dem Westen hegemoniale Pläne vor und verteidigte den Einmarsch seines Landes in die Ukraine. Die "Ukraine-Frage" könne nicht losgelöst von der geopolitischen Entwicklung betrachtet werden, sagte er. Es gehe darum, wie die internationalen Beziehungen künftig gestaltet würden: Indem ein solider Konsens auf der Grundlage von Interessenabwägungen hergestellt oder indem die Vormachtstellung Washingtons aggressiv und sprunghaft vorangetrieben werde.
Im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine wurde die Sitzung mit dem Titel "Wirksamer Multilateralismus durch die Verteidigung der Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen" von vielen Ländern als Provokation gesehen.
Zivile EU-Mission für Moldau
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich auf die Entsendung einer zivilen Mission in die Republik Moldau geeinigt, um das kleine osteuropäische Land vor russischen Destabilisierungsversuchen zu schützen. "Wir sehen verstärkte und anhaltende russische Versuche, Moldau zu destabilisieren", sagte EU-Chefdiplomat Josep Borrell in Luxemburg. "Die Entsendung dieser neuen Mission ist ein weiteres wichtiges politisches Zeichen der EU-Unterstützung in den momentanen schwierigen Umständen."
In der auf zwei Jahre angelegten Mission sollen ab Mai rund 40 Fachleute aus EU-Ländern, darunter Cyber- und Krisenexperten, Moldau bei der Abwehr von russischer Einmischung unterstützen. Neben den Maßnahmen gegen die laut Borrell "hybride" Bedrohung durch Russland erwägt die EU Sanktionen gegen prorussische Oligarchen aus Moldau, die laut pro-westlichen Behörden Russland bei der Destabilisierung Moldaus geholfen haben sollen.
Lösung im EU-Munitionsstreit in Sicht
Im EU-internen Streit um dringend benötigte Munitionslieferungen für die Ukraine zeichnet sich nach Angaben von EU-Chefdiplomat Josep Borrell eine Lösung ab. Es gebe weiter Meinungsverschiedenheiten, sagte der Spanier am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg. Er sei aber sicher, dass jeder verstehen werde, dass man es mit einer Situation äußerster
Dringlichkeit zu tun habe. Deswegen sei er überzeugt, dass in den nächsten Tagen eine Einigung erzielt werden könne. Die praktischen Vorbereitungen für die Munitionsbeschaffung liefen bereits.
In dem Streit geht es vor allem darum, dass Frankreich bislang darauf bestand, dass nur dann gemeinsam Munition mit EU-Geld beschafft werden sollte, wenn diese komplett aus europäischer Produktion stammt. Zahlreiche andere Länder lehnen dies ab, weil dies aus ihrer Sicht das vereinbarte Ziel gefährdet, der Ukraine innerhalb von zwölf Monaten eine Million Artilleriegeschosse für den Kampf gegen Russland zu liefern.
Ukraine und Russland wollen Austausch aller Kriegsgefangenen
Die Ukraine arbeitet mit Russland an einem Austausch aller Kriegsgefangenen. Der zuständige Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow sagte der Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina, der Idee nach sollten alle Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft gegen alle von Kiew gefangen genommenen russischen Soldaten ausgelöst werden.
Bisher wurde bei den Gefangenenaustauschen zumeist auf eine Parität bei der Zahl geachtet. Wie viele Gefangene beide Seiten jeweils haben, ist unbekannt. Russland soll jedoch wesentlich mehr ukrainische Gefangene haben als umgekehrt. Budanow bezeichnete den Austausch bereits während eines Krieges als "beispiellos". Nach Angaben aus Kiew wurden mit Russland bislang über 2300 ukrainische Kriegsgefangene ausgetauscht.
Wagner-Söldner sollen keine Gefangenen mehr nehmen
Die russische Söldner-Truppe Wagner wird nach Angaben ihres Chefs Jewgeni Prigoschin bei den Kämpfen um die ukrainische Stadt Bachmut keine Kriegsgefangenen mehr nehmen, sondern gegnerische Soldaten sofort töten. "Wir werden alle auf dem Schlachtfeld töten. Nehmt keine Kriegsgefangenen mehr", sagte der Wagner-Chef in einer Audiobotschaft.
Prigoschin reagierte damit auf eine Tonaufnahme, in der angeblich zwei Ukrainer beschließen, einen russischen Kriegsgefangenen zu töten. Die Aufnahme, deren Echtheit zunächst nicht überprüft werden konnte, wurde in einem Wagner-nahen Kanal im Online-Dienst Telegram veröffentlicht.
"Wir kennen den Namen unseres Mannes nicht, den die Ukrainer erschossen haben", sagte Prigoschin weiter. Nach dem Völkerrecht müssten Kriegsgefangene unversehrt bleiben und versorgt werden, sagte Prigoschin. Seine Truppe werde das Völkerrecht nicht brechen und daher alle Soldaten auf dem Schlachtfeld töten. Die Wagner-Gruppe ist derzeit in erster Linie in die schweren Kämpfe um Bachmut involviert.
Selenskyj dankt den ukrainischen Soldaten für ihren Einsatz
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen Soldaten für ihren Einsatz und Kampfeswillen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gedankt. In seiner allabendlichen Videoansprache zählte er am Sonntag eine Reihe von Einheiten auf, die sich in den Kämpfen vergangener Tage und Wochen besonders hervorgetan hatten.
"Danke für Ihre Widerstandsfähigkeit, für die Verteidigung Ihrer Stellungen und damit für den Schutz der Ukraine", sagte Selenskyj. "Es ist wichtig, dies in jeder Stadt, in jedem Dorf zu verstehen, überall dort, wo es jetzt mehr oder weniger ruhig ist."
Die Menschen sollten überall dort, "wo heute nur ein ruhiger, sonniger Frühlingstag war", die Opfer der Frontkämpfer verstehen. "Jeder Tag dieser Ruhe in den rückwärtigen Gebieten wird von unseren Soldaten in erbitterten Kämpfen an der Front gewonnen, in täglichen Kämpfen", sagte der Präsident. Er forderte die Bevölkerung auf, die Soldaten "immer wenn sie es brauchen" zu unterstützen.
Frankreich will Schiffe und Schienen liefern
Frankreich hat konkrete Unterstützungsleistungen für einen Wiederaufbau der Ukraine angekündigt. Sein Land werde Lotsenschiffe bereitstellen, um den Getreidetransport aus ukrainischen Häfen zu unterstützen, kündigte Verkehrsminister Clément Beaune am Sonntag an. Zudem werde Frankreich weitere Schulbusse spenden.
Mit der Lieferung von 20.000 Tonnen Eisenbahnschienen solle außerdem der Wiederaufbau des Schienenverkehrs unterstützt werden. Nach Einschätzung des französischen Umweltministeriums werden für den Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur in der Ukraine insgesamt 83 Milliarden Euro benötigt.
Russland beschleunigt angeblich "Russifizierung" besetzter Gebiete
Russland treibt nach britischer Einschätzung die "Russifizierung" der besetzten Gebiete in der Ukraine voran. So werde die Bevölkerung gezwungen, russische Pässe zu akzeptieren, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdienstinformationen mit. "Bewohner im Gebiet Cherson wurden gewarnt, dass diejenigen, die bis zum 1. Juni 2023 keinen russischen Pass angenommen haben, deportiert würden und ihr Besitz beschlagnahmt", hieß es. Die bürokratische Integration solle vor allem mit Blick auf die russische Präsidentschaftswahl 2024 helfen, die Invasion als Erfolg darzustellen.
Russland hatte die teilweise besetzten ukrainischen Gebiete Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk nach Scheinreferenden für annektiert erklärt. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine veröffentlicht das britische Verteidigungsministerium täglich Updates zum Kriegsverlauf, die sich auf Geheimdienstinformationen berufen.
uh/se/ehl/kle/djo/AR (afp, dpa, rtr)