Ukraine aktuell: Melnyk fordert "zehn Mal mehr" Militärhilfe
23. April 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Melnyk fordert Verzehnfachung der westlichen Militärhilfe
- Empörung nach Äußerungen des chinesischen Botschafters in Paris
- Selenskyj möchte härtere Sanktionen gegen Russland
- Wagner-Chef: Sohn von Kremlsprecher kämpfte in Ukraine
Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk hat eine Verzehnfachung der westlichen Militärhilfe gegen den russischen Angriffskrieg gefordert. "Wir sind unseren Verbündeten dankbar für ihre militärische Hilfe. Aber das ist nicht genug", schrieb der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland auf Twitter. "Die Ukraine braucht zehn Mal mehr, um die russische Aggression dieses Jahr zu beenden."
Die Partner im Westen sollten endlich aufhören, künstliche rote Linien zu ziehen und dann ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeben, verlangte Melnyk. Das wären allein im Fall von Deutschland mehr als 35 Milliarden Euro. Verglichen mit dem Zweiten Weltkrieg seien die Beträge gering, meinte der ukrainische Diplomat. "Die Verbündeten sollten das Ausmaß dieses Krieges begreifen", mahnte Melnyk, der zu dem Thema auch in einer ukrainischen Fernsehtalkshow auftrat.
Strack-Zimmermann: Hilfe für Ukraine darf nicht nachlassen
Für die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ist die Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland "elementar". Und die Hilfe "darf nicht nachlassen", mahnte sie beim FDP-Bundesparteitag in Berlin. "Der Krieg tobt nach wie vor in grausamster Weise", betonte Strack-Zimmermann. "Die Menschen, die wir in dem Jahr kennengelernt haben, sie flehen darum, dass wir nicht wegschauen."
Strack-Zimmermann soll die deutschen Liberalen als Spitzenkandidatin in die Europawahl 2024 führen. Auf dem Parteitag machte sie sich für die Integration der Ukraine in die "europäische Familie" stark. Die Ukraine wünsche sich eine Zukunft in der Europäischen Union. "Und ja, der Weg ist ein langer. Der Weg ist auch kein einfacher. Aber er ist ein wichtiges Signal." Der Ukraine werde signalisiert, "dass wir an ihre Zukunft glauben". Die Botschaft an Russland laute, dass niemand die Ukraine für verloren halte.
Chinas Botschafter in Paris sorgt für Verärgerung
Der chinesische Botschafter in Frankreich hat mit dem Infragestellen der Souveränität ehemaliger Sowjetrepubliken wie der Ukraine in Europa für Verärgerung gesorgt. Botschafter Lu Shaye hatte am Freitag dem Nachrichtensender LCI gesagt, die nach dem Kalten Krieg aus der Sowjetunion hervorgegangenen Länder hätten "keinen wirksamen Status nach internationalem Recht, weil es kein internationales Abkommen gibt, das ihren Status als souveräne Nationen bestätigt".
Der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak widersprach Lu jetzt öffentlich. Der Status von Ex-Sowjetrepubliken wie der Ukraine oder auch heutigen EU-Ländern wie den baltischen Staaten sei sehr wohl "im internationalen Recht verankert", sagte er dem Sender LCI. Podoljak wies außerdem energisch Lus Interview-Äußerungen über die 2014 von Russland besetzte und annektierte ukrainische Halbinsel Krim zurück. Auf die Frage, ob die Krim ukrainisch sei, hatte Lu erklärt, dies hänge davon ab, "wie man das Problem betrachtet. Es gibt eine Geschichte. Die Krim war zu Beginn russisch."
Lettland bestellt Geschäftsträger ein
Mit Empörung reagierten auch die Baltenstaaten auf die Äußerungen des chinesischen Botschafters. Wegen der "völlig inakzeptablen" Bemerkungen habe er für Montag den Geschäftsträger der chinesischen Botschaft in Riga einbestellt, teilte Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics auf Twitter mit. Dieser Schritt sei mit Litauen und Estland abgestimmt.
Selenskyj möchte härtere Sanktionen gegen Russland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat härtere Strafmaßnahmen gegen Russland gefordert. "Je härter die Sanktionen gegen Russland und gegen die gesamte russische Kriegswirtschaft sind, desto schneller wird der Krieg enden", sagte er in einer Videobotschaft. Zugleich beklagte der Staatschef einmal mehr, dass Russland bestehende Sanktionen des Westens umgehe. Das zu beenden, sei eine internationale Aufgabe.
In seinem Video dankte Selenskyj abermals auch einzelnen Staaten, darunter Deutschland, für die militärische Hilfe unter anderem bei der Stärkung der Flugabwehr der Ukraine gegen russische Angriffe. Die härtesten Schlachten gebe es aktuell weiter in der Region Donezk, darunter in der Stadt Bachmut, die Selenskyj hervorhob. "Dort ist es am intensivsten", berichtete der Präsident.
Das russische Verteidigungsministerium und die Söldnertruppe "Wagner" haben nach eigenen Angaben bereits mehr als 80 Prozent der Stadt eingenommen. Bachmut, das einst 70.000 Einwohner hatte, ist weitgehend zerstört durch die bisher verlustreichste Schlacht des seit 14 Monaten laufenden Ukraine-Krieges.
Wagner-Chef: Sohn von Kremlsprecher kämpfte in Ukraine
In der Ukraine soll auch der Sohn von Kremlsprecher Dmitri Peskow gekämpft haben - an der Seite von Söldnern der russischen "Gruppe Wagner", wie deren Chef Jewgeni Prigoschin mitteilte. Peskows Sohn Nikolai Choles habe nach einer Ausbildung von drei Wochen unter falschem Namen als Artillerist im umkämpften Gebiet Luhansk gedient, sagte Prigoschin, der den Einsatz als vorbildlich lobte.
Die Kinder der meisten Vertreter der russischen Elite drückten sich vor dem Kriegseinsatz, so der Wagner-Chef. "Die Eltern verstecken sie", klagte der 61-Jährige. Die Söhne würden an die Uni geschickt, wo sie freigestellt seien vom Dienst an der Waffe. Dagegen würden die Kinder von Arbeitern in dem Krieg sterben.
Eine Moskauer Boulevardzeitung veröffentlichte ein Foto des 33-jährigen Choles in Uniform.Er soll zudem einen Orden erhalten haben. Kritische Beobachter meinten, dass damit der angebliche Einsatz nicht bewiesen sei.
Im September war Peskow Junior in die Schlagzeilen geraten, weil er auf einen Fake-Anruf des Teams von Kremlkritiker Alexej Nawalny hereingefallen waren. Einer der Nawalny-Leute hatte sich am Telefon als Mitarbeiter eines Wehrkreiskommandos ausgegeben, um Nikolai Choles einzuberufen. Choles antwortete offenbar in Bezug auf seine Kontakte in den Kreml, er werde sich nicht einfinden und die Frage auf anderer Ebene entscheiden lassen.
Moskauer Außenministerium warnt vor Kanada-Reisen
Russland rät seinen Bürgern von Reisen nach Kanada ab. Es habe dort zahlreiche Fälle der Diskriminierung von Russen gegeben und auch körperliche Gewalt gegen diese, behauptet das Außenministerium in Moskau. Wer schon in Kanada sei, solle unbedingt wachsam sein, vor allem an öffentlichen Orten.
Kanada ist einer der größten Unterstützer der Ukraine im Krieg gegen Russland und hat seinen Bürgern bereits im vergangenen Jahr geraten, alle Reisen nach Russland zu vermeiden. Zudem verhängte Kanada Sanktionen gegen russische Beamte und Unternehmen sowie weitreichende Handelsverbote.
wa/AR/se/uh (dpa, afp, rtr)