Uber will Kolumbien verlassen
21. Januar 2020Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde für Industrie und Handel (SIC) vom 20. Dezember gegen Uber kam überraschend. Bereits 2016 hatte die Taxivereinigung Cotech Klage gegen Uber eingereicht. Das Unternehmen operiere ohne die für den öffentlichen Personentransport per Gesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen, so der Vorwurf. Die Regulierungsbehörde folgte der Argumentation, verurteilte Uber wegen "unlauteren Wettbewerbs" und ordnete die Mobilfunkbetreiber an, die App zu blockieren.
Klage gegen den kolumbianischen Staat
"Kolumbien ist das erste Land des Kontinents, das der Technologie die Tür verschließt", kritisierte Uber in einem Statement und kündigte Berufung an. Man werde alle rechtlichen Mittel nutzen, um "das Recht von zwei Millionen Nutzern zu verteidigen, sich nach ihrer Wahl in den Städten zu bewegen, und die Möglichkeit von 88.000 in der App registrierten Fahrern, zusätzliche Einnahmen zur Unterstützung ihrer Familien zu erwirtschaften". Zugleich beanstandete der Taxi-Vermittler "das Fehlen von Verordnungen für kollaborative Mobilitätsdienste" und erklärte, sich nach sechs Jahren in Kolumbien Ende des Monats aus dem Land zurückzuziehen. Unabhängig davon werde man den kolumbianischen Staat verklagen - wegen angeblichen Verstoßes gegen das Freihandelsabkommen mit den USA.
Der Chef der Taxifahrervereinigung, Hugo Ospina, zeigte sich zufrieden: "In Kolumbien hat der Staat klargestellt: Technologie ist willkommen, aber sie muss die Gesetze des Landes respektieren." Ubers Abgang werde die Mobilität verbessern, die wegen der vielen Privatautos vor dem Kollaps stehe. Der frühere Minister für Informationstechnologie und Kommunikation, David Luna, sah dagegen auf Twitter den "Anfang vom Ende des Fortschritts durch die Digitalökonomie" heraufziehen. "Es ist klargeworden, dass die Regierung das Recht und das Prinzip der Netzneutralität verletzend lieber das Monopol schützt und die Technologie hinauswirft."
Was ist mit Ubers Konkurrenten?
Uber-Konkurrent Beat bedauerte die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde. Sie begrenze den Zugang zu Dienstleistungen. Zugleich begrüßte das Unternehmen - ähnlich wie die Mitbewerber DiDi, Picap oder Cabify - die von der Regierung angekündigte Regulierung für Taxivermittlungsdienste. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag soll bis März diskutiert werden. Demnach sollen die Vermittlungsdienste steuerlich ähnlich wie "herkömmliche" Taxiunternehmen behandelt werden; auch die Lizenzierung der Fahrer soll angeglichen werden.
Mitglieder der Opposition beklagten einen angeblichen Pakt zwischen Regierung und Taxifahrern zum Verbot von Uber. Im Gegenzug habe das mächtige Taxigremium zugesagt, die seit Ende November andauernden Proteste und den Generalstreik gegen die Regierung Ivan Duque nicht zu unterstützen. Die Regierung dementierte und betonte die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde.
"Mal schauen, wie sie das für die vielen Personen, die für Uber arbeiten, lösen", sagt María Angélica Alava gegenüber DW. Die junge Frau aus Bogota hat bisher Uber genutzt. Sie bedauert den Rückzug, "denn Uber ist besser als normale Taxis. Deren Service ist schlecht und sie kassieren mehr. Oft drehen sie Extra-Schleifen, damit der Taximeter mehr anzeigt. Uber dagegen fährt zu einem festen Preis auch bis in den letzten Winkel der Stadt." Auch sei Uber sicherer. Alava steigt nun auf Beat um. "Das sind die selben Fahrer wie von Uber", sagt sie. Viele Fahrer verwendeten eben unterschiedliche Apps. Auch Joy Rodríguez aus Medellín ist von Uber zu Beat gewechselt. Der Service sei schneller und günstiger als die Taxis.
Werden ausländische Investoren abgeschreckt?
Andere sorgen sich eher um das Investitionsklima. Im Oktober zog Uber ein angekündigtes Investment von rund 40 Millionen US-Dollar zurück - wegen unzureichender regulatorischer Stabilität und zu wenig institutioneller Unterstützung für Innovationen, wie es hieß. Daniel Bilbao, Geschäftsführer von Truora, einem kolumbianischen Start-Up, das sich auf Identitätsüberprüfungen spezialisiert, schreibt in einem Meinungsartikel in der Wirtschaftszeitschrift Dinero von einem "gigantischen Fehler", Uber zum Verlassen des Landes zu zwingen. "Es schädigt die Nutzer, die Mobilität des Landes, und das Traurigste, die Fahrer und ihre Familien. Ein schwerer Kollateralschaden ist, dass es ausländische Investitionen abschreckt (…). Es stärkt den Klientelismus und kostet das Land 20 Millionen US-Dollar pro Jahr an nicht eingenommenen Steuern."
Ob Uber Kolumbien wirklich verlässt, aber ist keineswegs ausgemacht. Eine ganze Reihe Länder haben die Uber-App schon als widerrechtlich und wettbewerbsverzerrend eingestuft, darunter England, Frankreich oder die Türkei. In Deutschland gab es Verbote in Köln und Frankfurt am Main, die deutschlandweit gelten. In den meisten Fällen macht Uber trotzdem weiter - durch Softwareänderungen, über Strohfirmen oder durch gerichtliches Vorgehen gegen die Entscheidungen, so dass Verbote bis zu einer letztinstanzlichen Entscheidung aufgeschoben werden.
Cotech-Anwalt Nicolás Alviar hält den angekündigten Abgang deshalb eher für ein Druckmittel. Zunächst habe Uber den Rückzug von Investitionen angekündigt, dann der Regierung gedroht, sie wegen Nichteinhaltung der Freihandelsvereinbarung mit den USA verklagen, und zuletzt sozialen Druck aufgebaut "durch das Versenden von Erklärungen, in denen sie ankündigen, ihre Operationen einzustellen und das Land zu verlassen. Dies ist jedoch in der Realität noch nicht eingetreten".