Trommeln gegen die Agrarminister
19. Januar 2019Laut dröhnen die Motoren der 171 Traktoren, die in Berlin in einer langen Schlange vor dem Brandenburger Tor stehen. Dieselabgase wabern durch die Luft. Aus ganz Deutschland sind Landwirte in einer Sternfahrt auf drei Routen nach Berlin gekommen. Manche waren mit ihren schweren Zugmaschinen zwei Tage lang unterwegs. Jetzt führen sie eine Demonstration an, die mit mehreren zehntausend Menschen stundenlang durch das Regierungsviertel zieht.
"Essen ist politisch - wir haben es satt", so nennt sich das Bündnis aus rund 100 Organisationen, das die Demo veranstaltet. Darunter Landwirtschaftsverbände, Umwelt-, Tierschutz- und entwicklungspolitische Organisationen. Fahnen und Luftballons werden geschwenkt, Banner und Plakate hoch gehalten.
In Gruppen wird laut getrommelt und gepfiffen, viele Menschen haben Töpfe dabei, auf denen sie mit Kochlöffeln herumschlagen, von den Traktoren schallt laute Musik. Einige Demonstranten haben sich als Imker, Bienen oder Schweine kostümiert. Mehr Umwelt- und Tierschutz in der Landwirtschaft wird gefordert, aber auch das Verbot von Großbetrieben.
Die Agrarminister lassen sich nicht stören
Bis zum Auswärtigen Amt, wo an diesem Samstag die Agrarminister aus 74 Ländern unter der Leitung von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner tagen, darf der Zug nicht ziehen. Lediglich eine Protestnote dürfen die Veranstalter einreichen. Darin fordern sie von den Agrarministern eine zukunftsfähige EU-Agrarreform, eine Abkehr von pauschalen Flächensubventionen sowie Unterstützung für eine umweltfreundliche bäuerliche Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung.
Jährlich würden in der EU 60 Milliarden Euro Agrarhilfen ausgeschüttet, davon 6,3 Milliarden Euro in Deutschland. Dort flössen mehr als drei Viertel der Summe als pauschale Subventionen in die Fläche. "Die 3.300 flächengrößten Betriebe erhalten eine Milliarde Euro im Jahr, während die kleinsten 200.000 Bauernhöfe sich knapp 700 Millionen teilen müssen", erklärt Bündnis-Sprecherin Saskia Richartz. Klöckner müsse endlich die Interessenvertretung der industriellen Landwirtschaft beenden und eine Politik für Bauern, Bienen und lebensfähige Dörfer machen.
Nicht in Schubladen denken
Doch die Ministerin sieht sich keineswegs als Gegnerin der Demonstranten. Vor allem will sie sich nicht als Feindbild abstempeln lassen. "Ich bin dafür, dass wir zusammen führen müssen und nicht in Schubladen, in Pauschalisierungen denken", sagt Julia Klöckner. Es sei eine Herausforderung, Menschen zu ernähren. In Zukunft noch mehr als heute. "Wir werden 2050 noch einmal zwei bis 2,5 Milliarden Menschen mehr auf dieser Welt sein und schon jetzt hungern 821 Millionen und zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt." Ernährung sei ein Menschenrecht, so Klöckner. "Wir werden sie nicht satt machen mit einem Teilausstieg aus der landwirtschaftlichen Produktion." Es komme auf eine nachhaltigere und effizientere Produktion an, die Umwelt und Ressourcen schone.
Eine Produktion, die nicht von der Größe eines Betriebes abhänge. Als Beispiel verweist Klöckner auf "Neuland", einen landwirtschaftlichen Verband, dessen Mitglieder eine besonders tiergerechte, umweltschonende und qualitätsorientierte Nutztierhaltung propagieren. "Ich habe mit einem Bauern gesprochen, der hat 800 Schweine zuhause, das ist kein Kleinbetrieb", so die Landwirtschaftsministerin. In Mecklenburg-Vorpommern gebe es landwirtschaftliche Betriebe, bei denen mehrere Familien zusammen große Flächen bewirtschaften würden. Das seien aber keine Agrarfabriken.
Fortschritt durch Digitalisierung
Es sei wichtig, die Qualität in der Landwirtschaft zu verbessern. Hier sieht Klöckner weitreichende Möglichkeiten in der Digitalisierung. "Wir können zum Beispiel Bewegungsprofile von Tieren erfassen und so messen, ob das Wohl der Tiere tatsächlich verbessert wird." Digitalisierung helfe auch im Ackerbau, indem der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln präzise erfasst und dadurch auch reduziert werden könne.
Die Digitalisierung in der Landwirtschaft war in diesem Jahr das zentrale Thema bei der Agrarministerkonferenz und dem damit einhergehenden "Global Forum for Food and Agriculture", das im Rahmen der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche stattfand. Die Minister setzen darauf, dass digitale Technik die Produktion von Nahrung weltweit verbessern kann. Die Welternährungsorganisation FAO soll ein Konzept für einen Digitalrat ausarbeiten, der Länder beraten und den Erfahrungsaustausch vorantreiben kann. Es gebe große Unterschiede, so Klöckner. "In manchen Ländern senden die digitalen Ohrmarken der Kühe stärker als Handymasten, in anderen Ländern fehlt sogar der Strom."