Lösung für Syrien dringend gesucht
21. Februar 2017Ende Januar erinnerte ein frisch gegründetes Bündnis mehrerer in Syrien kämpfender dschihadistischer Gruppen noch einmal an das aus ihrer Sicht zentrale Ziel des mittlerweile ins siebte Jahr gehenden Aufstands gegen das Assad-Regime. Die Gruppen, unter ihnen die "Syrische Eroberungsfront" (Jabhat Fatah al-Sham) und die "Armee der Glaubenskämpfer" (Dschaisch al-Muadschidin), hatten sich soeben zu einem neuen Verband zusammengeschlossen: der "Organisation zur Befreiung der Levante" (Hayyat Tahrir al-Sham, HTS).
"Wir versuchen, die syrischen Gruppen unter einem einzigen Kommando zusammenzufassen, das die militärische und politische Arbeit führen soll, um ihr wichtigstes Ziel zu erreichen: die Regierung zu stürzen, alle syrischen Gebiete zu befreien, die territoriale Integrität des Landes zu schützen und die islamische Identität der Bevölkerung zu bewahren", hieß es. An anderer Stelle wurde die HTS noch deutlicher: Man wolle einen Scharia-Staat in Syrien.
Damit stellte sich die HTS in die Reihe jener Gruppierungen, mit denen die in Syrien kämpfenden Staaten - angeführt von Russland und der Türkei - ausdrücklich nicht verhandeln wollen. Ende Januar hatten sie auf einer Konferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana zwar erklärt, mit oppositionellen Gruppen Gespräche führen zu wollen. Davon hatten sie allerdings dschihadistische Organisationen ausdrücklich ausgenommen.
Schwierige Partnerschaft
Im Unterschied zu Moskau und Ankara schließt das Assad-Regime Gespräche mit der Opposition auf nationaler Ebene generell aus. Damit ging die syrische Regierung auf Distanz zu ihrer wichtigsten Schutzmacht Russland. Das Internet-Magazin Al-Monitor wertet diesen Umstand als Schwäche der in Astana versammelten Staaten: "In den Gesprächen hat sich gezeigt, dass diese einen relativ geringen Einfluss auf das Geschehen vor Ort haben. Denn sowohl die syrische Regierung wie auch die regionalen Akteure setzen weiterhin ihre eigene Agenda."
Wohl auch darum hat der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault kurz vor der neuen Runde der Syrien-Gespräche in Genf Russland aufgefordert, seinen Einfluss auf das Assad-Regime geltend zu machen. Moskau solle dafür sorgen, dass das Assad-Regime nicht sämtliche Oppositionelle weiterhin als "Terroristen" bezeichne.
"Verbrechen beginnen im Kopf"
Genau das wäre eine wesentliche Voraussetzung dafür, mit der Opposition überhaupt ins Gespräch zu kommen. Denn solange auch Kämpfer der ideologisch gemäßigten Anti-Assad-Kräfte von dessen Regime ohne Rücksicht auf Verluste bekämpft werden, haben sie ihrerseits kaum Gründe, vom Kampf abzulassen.
Anfang Februar veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Berichte über Foltergefängnisse des Assad-Regimes. Deren Existenz ist ein Hinweis darauf, dass die gemäßigte Opposition nicht allein um die Zukunft des Landes kämpft, sondern auch um ihr eigenes physisches Überleben.
Der syrische Publizist und Assad-Gegner Michel Kilo erinnerte dieser Tage in der Zeitung Al-Araby al-Jadeed noch einmal an die Anfänge der Revolution. "Wir zögern nicht, alle nur erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um das Überleben des Regimes zu sichern", hätten Assad-Vertreter die Opposition damals wissen lassen. Daran habe sich nichts geändert. 450.000 Personen sind diesem Entschluss bis heute zum Opfer gefallen."Das Verbrechen beginnt im Kopf", beschreibt Kilo die Dynamik der Brutalisierung.
Assads politische Zukunft
Im Unterschied zu Kilo zeigt sich der UN-Syrien-Beauftragte, Staffan de Mistura, vor den Genfer Gesprächen zuversichtlich. Der vor Wochen ausgehandelte Waffenstillstand sei stabiler als die vorhergehenden, erklärte er auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Und wenn wir achtsam mit ihm umgehen und ihn unterstützen, sind die Chancen gut, dass er erfolgreicher als die anderen ist."
Gesprächsbereit zeigt sich auch die gemäßigte Opposition. Sie nennt aber weiterhin eine Vorbedingung: Assad müsse gehen. "Wir können die umfassenden regionalen und globalen Sicherheitsrisiken nicht angehen, solange Assad an der Macht ist", sagte - ebenfalls in München - Anas al-Abdah, der Präsident der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte.
Moskaus politische Nöte
Offen ist, wie weit Russland in der Lage und willens ist, Einfluss auf das Assad-Regime auszuüben. "Es gibt keine Mechanismen, die eine politische Lösung in Gang bringen könnten", sagte Nahost-Experte Haid Haid dem arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera. Die Gründe liegen auf der Hand: Russland dürfte wenig Bereitschaft verspüren, Ordnungsmacht in einem Syrien ohne Assad zu sein, das ein Hort der Gewalt bleiben dürfte.
Zugleich dürfte es für Moskau extrem schwierig sein, eine Regierung zu installieren, die einerseits eine glaubwürdige Alternative zu Assad wäre - und zugleich enge Beziehungen zum Kreml pflegte. Nachdem Moskau jahrelang nur das Assad-Regime unterstützt hat, schließt sich das wohl gegenseitig aus.
Um Syrien und die Region dauerhaft zu befrieden, brauche es darum eine umfassende politische Lösung, sagte UN-Sonderbeauftragter de Mistura in München. Wie die konkret aussehen könnte, hat sich aber auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz immer noch nicht abgezeichnet.