Steiner: "Mongolei ist Beispiel für Klimawandel"
31. Mai 2013DW: Die zentrale Veranstaltung zum Weltumwelttag fand in diesem Jahr in der Mongolei statt. Thema war in erster Linie die Verschwendung von Lebensmitteln – ist das überhaupt ein Problem in einem Land wie der Mongolei, wo ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt?
Achim Steiner: Verschwendung nicht, aber Nahrungsmittelsicherheit und auch Verluste bei der Produktion sind ein Thema. Wir haben dieses Jahr die Mongolei ausgewählt, weil sie ein faszinierendes Land ist, deren aktuelle politische Führung sich sehr stark mit diesen Themen rund um Nachhaltigkeit auseinandersetzt.
Tsakhia Elbegdorj hat als relativ junger neuer Präsident völlig neue Signale für die Entwicklung der Mongolei ausgegeben. Das Umweltministerium heißt dort heute das "Ministerium für Umwelt und grüne Entwicklung" und viele der Initiativen, die er auf den Weg bringen will, bedürfen natürlich auch der internationalen Unterstützung. UNEP ist von der Regierung der Mongolei eingeladen worden, in den kommenden Jahren diese nationale Entwicklungspolitik mit dem Konzept der Green Economy zu unterstützen. Und darauf haben wir natürlich mit großem Interesse reagiert. Denn gerade ein Land wie die Mongolei - in dem es einerseits Armut, andererseits sehr schnelle Entwicklungsmöglichkeiten gibt - hat vor allem auch im Bereich der erneuerbaren Energietechnologien ein enormes Potenzial mit der Gobi-Wüste, um zum Beispiel Strommärkte in China oder Japan mit Solartechnologie und Solarenergie zu versorgen.
Die größte Einnahmequelle der Mongolei sind die Rohstoffe – allen voran Kohle, Kupfer und Gold. In vielen Ländern haben Rohstoffe eher zu Umweltzerstörung, sozialer Ungleichheit und Konflikten beigetragen – was macht die Mongolei anders?
Im Abbau von solchen Rohstoffen hat es natürlich sehr viele Probleme gegeben: ökologische Probleme und soziale Konflikte. Aber wir müssen anerkennen, dass diese Rohstoffe letztlich durch die industrielle Revolution im 20. und nun auch im 21. Jahrhundert auch sehr viel an wirtschaftlicher Entwicklung ermöglicht haben. Manche Länder sind dadurch sogar sehr reich geworden. Auch einem Land wie der Mongolei, das erst sehr spät im globalen Kontext mit der Schürfung, mit dem Verkauf, mit der Verarbeitung von solchen Rohstoffen in die nationale und internationale Wirtschaft tritt, muss man erst einmal einräumen, dass es die Möglichkeit hat, diese Ressourcen zu nutzen.
Die Frage ist: Kann ein Land wie die Mongolei heute die Fehler vermeiden, die viele andere Länder begangen haben? Und gerade da hat die Mongolei ein sehr klares Signal gesetzt. Sie hat 2010 ein Moratorium für neue Bergbaulizenzen verabschiedet für die Zeit bis die neuen Umweltrichtlinien, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Gesetze verabschiedet sind, um eben dieses natürlich sehr attraktive Potenzial nachhaltiger zu entwickeln.
Ein Drittel der Bevölkerung in der Mongolei arbeitet in der Landwirtschaft. Die ist einerseits sehr anfällig für Klima- und Umweltveränderungen, andererseits auch eine Ursache dafür. Welche Bestrebungen gibt es in der Mongolei, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen?
Gerade die Mongolei ist ein Beispiel dafür, wie Klimawandel bereits jetzt zu grundsätzlichen Veränderungen führt. Nach Schätzungen der Meteorologen ist wahrscheinlich in den letzten 70 Jahren die Durchschnittstemperatur in diesem Land schon um zwei Grad angestiegen. Das hat Konsequenzen für die Landwirtschaft, die Nahrungsmittelsicherheit, aber auch für die Nomaden mit ihren Herden und vor allem für den Wasserhaushalt des Landes, der natürlich von zentraler Bedeutung ist für die zukünftige Landwirtschaft, aber auch für die Entwicklung von Stadtgebieten.
Und wenn man den Begriff Landwirtschaft im erweiterten Sinne versteht, dann ist ja gerade auch die Tradition der nomadischen Wirtschaft in der Mongolei nicht nur ein Wirtschaftssektor, sondern auch ein enorm wichtiges kulturelles und identitätsstiftendes Element für dieses Land. Dieser Spagat zwischen Nomadenkultur, nomadischer Wirtschaft, und Wirtschaft des 21. Jahrhunderts ist für diese Regierung und dieses Land eine enorme Herausforderung.
Achim Steiner ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und leitet als Exekutivdirektor das UN-Umweltprogramm UNEP. Die Aufgabe von UNEP ist vor allem die Analyse der globalen Umweltprobleme und die Entwicklung globaler, regionaler und nationaler Umweltprogramme und -grundsätze. Bisher wurde UNEP von einem Governing Council mit 58 wechselnden Mitgliedstaaten gesteuert. Im Februar 2013 wurde eine allgemeine Mitgliedschaft aller UN-Staaten beschlossen: eine politische und praktische Aufwertung des UN-Umweltprogramms.
Das Gespräch führte Helle Jeppesen.