Gefragte Ware
1. Mai 2012"Es kann und darf nicht sein," protestiert Susanne Friess von Misereor, "dass Entwicklungszusammenarbeit nur noch dafür instrumentalisiert wird, die Interessen unserer Industrie zu garantieren.“ Die Interessen der Menschen müssten im Vordergrund stehen. Nach Ansicht vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) stehen jedoch die wirtschaftlichen Interessen im Mittelpunkt, auch in der deutschen Politik. Andere Fragen, wie z.B. die Arbeitsbedingungen vor Ort oder der Umweltschutz, kämen häufig zu kurz.
Die deutsche Expertin von Misereor berät und koordiniert mit lateinamerikanischen Partnerorganisationen Initiativen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im peruanischen Goldbergbau. Der Goldabbau dort zeigt exemplarisch die Probleme auf.
Kaum Geld zum Überleben
Schon jetzt hätten die Arbeiter im Goldbergbau in Peru kaum Chancen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, sagt Friess. "Die meisten arbeiten für Subunternehmer, sie werden für zwei bis drei Monate eingestellt und dann wieder gefeuert." Mit dieser Methode, so Friess weiter, "hält man sich einen großen Personenkreis abhängig."
Noch schlimmer seien die Arbeitsbedingungen bei den Kleinschürfern. "Ihre Gesundheit ist massiv gefährdet", berichtet Susanne Friess. Denn für den Abbau von Gold werde nicht nur die Landschaft umgegraben, sondern große Mengen Quecksilber eingesetzt, die ungefiltert in die Umwelt gelangten. Fast 40.000 Menschen arbeiteten so allein in Madre de Dios, einem Bergbaugebiet im peruanischen Amazonastiefland. Viele der Kleinschürfer arbeiteten für einen "Hungerlohn" bei Kleinunternehmern, die das Geschäft koordinierten.
Seit die Regierung diese Form des Bergbaus verhindern will, sei ein neues Problem dazugekommen: "Polizei und Militär gingen in die Gebiete, es begann eine regelrechte Hetzjagd auf die Kleinschürfer", berichtet Friess. Erst jetzt beginne ein Dialogprozess zwischen den Kleinschürfern und der Regierung.
Weniger Wasser für die Bevölkerung
Das ungefilterte Quecksilber der Kleinschürfer sei aber nicht das einzige Problem. "Auch im industriellen Abbau sind die Eingriffe in die Natur massiv", meint Friess. Es sei unheimlich, an den kilometerlangen Gesteinsbergen der größten Goldmine Lateinamerikas, Yanacocha, vorbeizufahren. Sie gehört dem US-amerikanischen Konzern Newmont. Hier und anderswo "nutzen die Unternehmen große Mengen an Grundwasser und leiten es irgendwo verschmutzt wieder ein", beklagt Friess. "Wir haben zwar inzwischen Studien, die die negativen Auswirkungen auf das Trinkwasser nachweisen, aber es geschieht kaum etwas."
Der Regierung fehle es an Personal und an Wissen, um die zahlreichen Großbergbauprojekte zu kontrollieren. Der Widerstand in Peru formiere sich nun vor allem gegen ein neues Projekt von Newmont: Minas Conga heißt die Mine, für die allein vier große Lagunen in einem ökologisch sensiblen Gebiet dem Goldbergbau weichen sollen. Das Wasser der Lagunen soll in künstliche Becken umgeleitet werden.
Kaum Einnahmen und keine Entwicklung
"Nur wenigen Entwicklungs- und Schwellenländern ist es bislang gelungen, angemessene Einnahmen aus dem Rohstoffabbau zu erzielen", so das Fazit von Friedel Hüls-Adams, Wissenschaftler am Südwind Institut in Siegburg. Einnahmen, die sich die Bevölkerung für die Entwicklung des Landes und zur Bewältigung der entstandenen Umweltschäden erhoffe. Ghana zum Beispiel habe um Investoren geworben und langfristige Rohstoffverträge geschlossen, als die Preise noch niedrig waren. Als sich dann der Goldpreis vervierfachte, seien die Gewinne der Goldbergbauunternehmen gestiegen, die Steuereinnahmen dagegen auf dem alten Stand geblieben.
"Auch in Guatemala und Honduras zahlen die Unternehmen lächerlich wenig", bestätigt Susanne Friess. In Peru fülle der Goldabbau zwar durchaus die Staatskasse. Eingesetzt werde das Geld allerdings weniger für entwicklungsrelevante Projekte sondern vor allem für den Straßenbau. "Für Strassen, die exakt am Eingang der großen Goldminen enden". Der Bildungsetat Perus sei dagegen seit den 90er Jahren gleichbleibend gering.
Unternehmen stehen in der Verantwortung
Friedel Hütz-Adams vom Südwind Institut sieht Handlungsbedarf bei den Unternehmen: "Sie dürfen sich nicht hinter die Schwäche der Staaten zurückziehen, wenn es um die Verletzung von Menschenrechten geht." Diese Position sei auch Politik der Vereinten Nationen, spätestens seit dem Bericht des Sonderbeauftragten John Ruggie im UN-Menschenrechtsrat. Für einen Schritt in die richtige Richtung hält Friedel Hütz-Adams dabei die EU-Transparenz-Initiative: "Wenn die so durchkommt, dann müssen alle in der EU ansässigen Unternehmen bei metallischen und energetischen Rohstoffen offenlegen, wem sie was zahlen." Mit solchen Informationen hätten auch die Menschen vor Ort bessere Möglichkeiten, ihre Interessen zu vertreten.