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Spiele machen Politik

Gero Schließ14. August 2014

Die ehemalige US-Stahlstadt Cleveland will als Austragungsort der Gay Games ihr Image aufpolieren. Die Athleten aus aller Welt fühlen sich wohl, die lokale LGBT-Community hofft auf ein liberaleres Klima.

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Die Athleten der Gay Games laufen ein und tragen eine große Flagge in Regenbogenfarben auf den Schultern.
Bild: picture alliance/ZUMA Press

Theresa Beyerle ist begeistert: "Als jemand, der in Ohio lebt, hätte ich niemals gedacht, dass die Gay Games hierher kommen," sagt die Bodybuilderin und Professorin an der Universität von Akron, einer Stadt 50 Kilometer südlich von Cleveland, die gemeinsam mit ihrer doppelt so großen "Schwesterstadt" die diesjährigen Gay Games ausrichtet. "Ich lebe seit 33 Jahren offen lesbisch und habe gesehen, wie sich das Leben hier geändert hat. Es ist absolut phantastisch, die Gay Games hier zu haben."

Gegen Washington und Boston durchgesetzt

Wie viele andere Freizeitsportler in der Region wollte auch Theresa Beyerle "unbedingt" dabei sein. Vor zehn Monaten fing sie mit dem Body-Building an, trainierte hart und traute sich schließlich in den Wettbewerb mit erfahrenen Bodybuilderinnen. Dass die als Olympiade der Schwulen und Lesben bezeichneten Gay Games nach so schillernden Spielorten wie San Francisco, New York, Amsterdam oder zuletzt Köln jetzt im beschaulichen Cleveland Station machen, begreifen viele als Chance. Immerhin hat sich Cleveland beim Auswahlverfahren gegen Washington und Boston durchgesetzt, die eine selbstbewusste LGBT-Community (Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Trans) mit einem sehr liberalen Umfeld haben.

Bodybuilderin Theresa Beyerle (rechts) beim Posing.
Bodybuilderin Theresa Beyerle (rechts).Bild: Rick Beyerle

Image aufpolieren

8000 Athleten aus den USA und 38 weiteren Ländern messen in Cleveland und Akron eine Woche lang ihre Kräfte. Wenn es nach dem Willen der Stadtpolitiker Clevelands geht, sollen am Ende der Gay Games nicht nur sportliche Höchstleistungen stehen, sondern auch ein anderes Image. Stadtratsmitglied Joe Cimperman sieht die einzigartige Chance, mit den Gay Games das ramponierte Ansehen der einst reichen, aber heute ums Überleben kämpfenden Stahlstadt im "Rust Belt" aufzupolieren.

Vor allem aber soll etwas für die Sache der LGBT-Community in Ohio erreicht werden. In seiner überraschenden Videobotschaft zur vielumjubelten Eröffnungsfeier plädierte bereits Präsident Obama für mehr Toleranz - nicht nur im fernen Afrika oder Russland, sondern auch zu Hause.

Ein Volleyballer der Gay Games präsentiert stolz seine Kniestrümpfe in Regebenbogenfarben.
Volleyballer bei den Gay Games.Bild: DW/G. Schließ

Diskriminierung in Ohio

Joe Cimperman, Mitglied in Obamas Demokratischer Partei, spricht gegenüber der Deutschen Welle Klartext: "Unsere Stadt ist in einem Staat, der keine gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Sie ist in einem Staat, der dich entlassen kann, weil du schwul bist, ohne dass dies angefochten werden kann. Wir glauben fest daran, dass wir die Diskriminierung der LGBT-Community in Ohio dadurch beenden helfen, dass wir die Gay Games in Cleveland haben."

Die USA haben im letzten Jahr eine gesellschaftliche Umwälzung erlebt, als nach einem Urteilsspruch des Obersten US-Gerichts immer mehr Bundesstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierten. Doch Ohio im Nordosten der USA gehört immer noch zur Mehrheit der 50 US-Staaten, die Schwulen und Lesben das Recht auf Ehe verweigern.

Traurig über Ablehnung

Und nicht alle finden es offensichtlich gut, dass die Gay Games hier ihre Zelte aufgeschlagen haben. "Es gibt immer noch viele Menschen, die Homosexuelle nicht mögen", erzählt Theresa Beyerle kurz nach ihrem Posing für den Bodybuilding-Wettbewerb in der örtlichen Musikhalle. "Ich habe gerade auf meinem Weg hierhin Radio gehört und da waren Leute die meinten, es sei furchtbar, dass die Spiele hier stattfinden. Es gibt viele, die sich immer noch nicht mit uns wohlfühlen. Das ist so traurig".

Gay Games in Cleveland USA
Überall in der Stadt sieht man Regenbogenfarben.Bild: DW/G. Schließ

Schlagzeilen machten im Vorfeld für kurze Zeit Taxifahrer, die sich geweigert hatten, Werbung für die Gay Games auf ihren Autos zu zeigen. Das seien vor allem Muslims gewesen, die religiöse Gründe geltend gemacht hätten, erklärt ihr Kollege Nel Nwoke bei der Fahrt durch die Stadt. Sie seien von ihren Firmen schließlich in andere Stadtteile versetzt worden, berichtet er. Er selber ist auch Muslim und stammt aus Nigeria, doch gegen die schwulen Spiele hat er nichts.

Stadt voller Regenbogenfahnen

Von einer reservierten oder gar feindlichen Stimmung ist nichts zu spüren. Regenbogenflaggen und Begrüßungstafeln fänden sich überall, sagt Mark Topham, der an den Laufwettbewerben teilnimmt. "Seit ich hier bin, habe ich nichts Negatives gesehen. Es gibt soviel Unterstützung. Es scheint, dass die Stadt die Gay Games 100prozentig annimmt."

Der Sport hat für Mark Topman eine wichtige Bedeutung: "Ich trainiere mit einem Team, das sich um Aids-Aufklärung kümmert und dafür auch die Öffentlichkeit mobilisiert". Jeden Samstag aufzuwachen "und mit meinen Jungs zu laufen, das bedeutet für mich unglaublich viel", sagt er. "Wir verstehen uns, wir wissen, was wir durchgemacht haben im Leben und das verbindet uns."

Gemeinsame Geschichte verbindet

Mark Topham hat gerade den 12. Jahrestag seines Coming-outs begangen. "Seit dem Coming-out bin ich selbstbewusster geworden und habe viel über das Leben gelernt." Dabei habe ihm der Sport sehr geholfen.

Marc Giguere beim Power Lifting Wettbewerb während der Gay Games.
Marc Giguere beim Power-Lifting-Wettbewerb.Bild: Don Hill

Mehr als 35 Wettbewerbe richten die diesjährigen Gay Games aus. Darunter sind traditionelle Sportarten wie Schwimmen, Eishockey oder Fußball, aber auch solche wie Ballroom, ein Tanzwettbewerb mit gleichgeschlechtlichen Paaren, den es nur hier gibt.

Sport gibt das gewisse Etwas

Marc Giguere hat eine sehr männliche Sportart gewählt. Er arbeitet tagsüber als Personalmanager bei einer regionalen Bank, bei den Gay Games tritt er als "Powerlifter" an und stemmt in Blitzgeschwindigkeit schwere Gewichte. Wie Theresa Beyerle hat er sich vor den Gay Games nicht als Athlet begriffen. Doch sein Partner Don Hill bringt es auf den Punkt: "Die Game Games haben aus Marc einen Athleten gemacht." Sie gaben ihm ein greifbares Ziel. Das sei unglaublich wichtig gewesen. "Zudem gibt der Sport dir, wenn du LGBT bist, dieses zusätzliche Selbstbewusstsein und das gewisse Etwas."

Stolz zeigt Marc Giguere seine Medaillen, die er im Arbeitszimmer des schmucken Eigenheims in einem beschaulichen Stadtteil von Cleveland aufbewahrt. Trainieren ist "zentraler Teil meines Lebens", sagt er. Fünfmal in der Woche geht er ins Fitnessstudio, meistens vor der Arbeit gegen 5.30 Uhr. Dort erlebt er als einziger offen Schwuler "eine tolle Gemeinschaft mit den Leuten im Studio". 20 von ihnen kamen zum Wettbewerb, um ihn zu unterstützen. Das hat ihn berührt.

Die Jungen bleiben fern

Die Gay Games sieht er als "riesiges, historisches Ereignis für die Region". Doch scheint das die jungen Schwulen und Lesben weniger zu begeistern. "Ehrlich gesagt habe ich nicht viele Junge gesehen, die mitmachen oder im Publikum sitzen. Die meisten sind 40 oder 50", räumt Theresa Beyerle ein. "Ich hasse das zu sagen, aber es sieht so aus, als seien die Gay Games etwas für die älteren Generationen". Doch nach kurzer Zeit des Überlegens wendet sie - ganz amerikanisch - das Problem ins Positive: "Das ist aber nicht schlimm, es ist absolut phantastisch, wenn die jüngeren Leute denken, sie brauchen das nicht. Vielleicht ist das Leben für sie einfacher, more Mainstream."