Wärmerekord im Winter
6. Dezember 2006Wo jahrelang Skibegeisterte die tief verschneiten Pisten herunterrasten, blühen in diesem Jahr Blumen auf grünen Wiesen. Der Schnee fehlt fast überall: ob in Österreich, Italien, Deutschland oder einigen Skigebieten der Schweiz. Und die Experten geben keinen Grund, auf Besserung zu hoffen. Der österreichische Klimaforscher Reinhard Böhm stellte am Dienstag (5.12.06) in Wien ein groß angelegtes Forschungsprojekt vor, das die Klimageschichte im Großraum zwischen Nürnberg und der Toskana sowie zwischen dem Rhone-Tal und Budapest rekonstruiert. Europäische Wissenschaftler sammelten mehr als 1000 Wetterdaten aus den Alpen und dem Vorland, die bis ins 8. Jahrhundert zurückreichen.
Sie zeigen, dass es auch in anderen Jahrhunderten Phasen der Erwärmung gegeben hat. Diese hatten jedoch einen natürlichen Ursprung. So hohe Temperaturen wie heute habe es jedoch seit 1300 Jahren nicht gegeben. Denn erst seit 1950 wirkt sich die industrielle Luftverschmutzung aus, die mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begann. Ungefilterte Industrieabgase und andere Emissionen dämpften zunächst die Sonneneinstrahlung, seit 20 Jahren machen sich auch Treibhausgase wie Methan und Kohlendioxid bemerkbar. Sie tragen zum Treibhauseffekt bei, der die Erwärmung der Erde verursacht. Luftverschmutzung durch Autos und Industrie verschärfen das Problem noch weiter. "Die Modelle deuten darauf hin, dass es in Zukunft noch wärmer wird", prognostiziert Böhm, der am Zentralinstitut für Meteorologie und Geodynamik in Wien forscht.
In Zukunft wird es noch wärmer werden
Mit zu warmen Wintern haben nicht nur die Alpen zu kämpfen. Bremer Experten prognostizieren, dass der Nordpol ab 2080 im Sommer eisfrei sein könnte, wenn die Klimaerwärmung nicht gestoppt wird. Allein in den vergangenen 30 Jahren hat sich die Fläche, die im Arktischen Ozean vom Meereis bedeckt ist, um 20 Prozent reduziert. Die Forscher sind alarmiert und warnen vor den Folgen. "Der Lebensraum für Eisbären und alle anderen Lebewesen wird sich verändern", sagt Eberhard Fahrbach, Projektleiter Technologie beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Außerdem könnten Schiffe den Arktischen Ozean irgendwann ganzjährig als Seeweg nutzen und die Ausbeute von Bodenschätzen könnte dramatisch zunehmen.
In der Tourismusbranche der Alpen sind die Folgen schon jetzt zu spüren. Die sonst mit viel Tamtam zelebrierten Starts in die neue Saison mussten quer durch die Alpen abgesagt werden. Die Seilbahnen stehen still, Lift- und Hotelpersonal wurde heimgeschickt, Gästen bis auf weiteres abgesagt. Nicht einmal Kunstschnee kann produziert werden. Dazu ist es in den meisten Lagen einfach zu warm, so dass auch der Schnee aus Schneekanonen schmelzen würde.
"Dass nicht einmal Kunstschnee drin ist, wirkt sich für Wintersportorte ohne Alternativprogramm besonders dramatisch aus, zeigt aber zugleich, dass man auch durch hochmoderne Beschneiungstechnik die Natur nicht austricksen kann", sagt Christine Margraf vom Bund Naturschutz in Bayern. Skibegeisterte müssen derweil in höhere Lagen ausweichen. Wenigstens ist es auf den Gletschern Österreichs, der Schweiz und in absoluten Hochlagen derzeit weiß. (els)