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Slowenen für Ende des Grenzstreits

7. Juni 2010

Der seit 1991 schwelende Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien soll durch ein Schiedsgericht beigelegt werden. Dafür hat sich die knappe Mehrheit der Slowenen bei einer Volksabstimmung ausgesprochen.

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Borut Pahor bei der Abgabe des Stimmzettels an der Wahlurne (Foto: AP)
Ministerpräsident Pahor befürwortet den SchiedsgerichteinsatzBild: AP

Die Slowenen haben dafür gestimmt, dass ein internationales Schiedsgericht den seit fast zwei Jahrzehnten bestehenden Grenzstreit mit dem Nachbarland Kroatien schlichten soll.

Knappes "Ja"

51,5 Prozent votierten am Sonntag mit "Ja", wie die Wahlkommission am Montag (07.06.2010) mitteilte. Rund 1,7 Millionen Bürger Sloweniens waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 42 Prozent.

Da der Vorsprung des Ja-Lagers derzeit rund 24.000 Stimmen beträgt, könnten sich die ausstehenden Stimmen der Briefwähler und Auslandsslowenen theoretisch das knappe Ergebnis in den nächsten Tagen noch kippen, hieß es in Ljubljana. Bei einem "Nein" könnte die Regierung dem Parlament erst wieder in einem Jahr einen neuen Lösungsvorschlag unterbreiten.

Hauptstreitpunkt: Zugang zu Internationalen Gewässern

Fischerboot auf der Adria, im Hintergrund der slowenische Ort Piran (Foto: dpa)
Das Grenzgebiet in der Bucht bei Piran soll neu geregelt werdenBild: picture alliance / dpa

Sollte es bei dem "Ja" der Slowenen bleiben, wäre ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu einem Beitritt Kroatiens in die Europäische Union aus dem Weg geräumt. Zunächst könnte das Schiedsverfahren unter Vermittlung der EU die umstrittene (See-)Grenze in der Bucht von Piran auf der Halbinsel Istrien in der nördlichen Adria festlegen.

Seit 1991 streiten sich Slowenien und Kroatien um ein kleines Seegebiet an der Mündung des Flusses Dragonia. Nach der Auflösung des jugoslawischen Staates waren die Binnengrenzen nicht klar geregelt worden. Kroatien möchte eine Merianlinie als Grenze festlegen, Slowenien pocht auf eine Art Gewohnheitsrecht: das Gebiet sei schon immer slowenisch bestimmt gewesen. Sollte Slowenien die Hoheitsrechte für das Grenzgebiet erhalten, hätte es endlich einen eigenen Zugang zu Internationalen Gewässern. Bislang müssen slowenische Boote entweder kroatisches oder italienisches Hoheitsgewässer passieren.

Kartengebiet mit Slowenien und Kroatien mit der Aufteilung von Seerechten in der Adria (Grafik: DW/Sander)
Das Schiedsgericht könnte die Grenzfrage beispielsweise so - im Sinne der Slowenen - regeln

Abkommen, Gesetz, Referendum

Die slowenische und die kroatische Regierung hatten im November 2009 ein Abkommen geschlossen, das die Einsetzung eines internationalen Schiedsgerichtes vorsieht. Ein darauf basierendes Gesetz hatte das slowenische Parlament im April 2010 gebilligt. Doch sah sich die sozialistische Regierung in Ljubljana unter dem Druck der konservativen Opposition gezwungen, das Abkommen noch einem Referendum zu unterwerfen. Nun hätte das Schiedsgericht die Befugnis, den seit langen Jahren währenden Grenzstreit unter den Nachbarn bindend zu regeln. Der Schiedsspruch wäre endgültig und unanfechtbar.

Mit dem "Ja" der Slowenen könnte auch der beabsichtigte EU-Beitritt Kroatiens näher rücken. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem "bedeutenden Schritt vorwärts". Und auch die deutsche Bundesregierung begrüßte die slowenische Entscheidung. Die Anrufung eines Schiedsgerichts könne "als Modell für andere bilaterale Grenzstreitigkeiten zwischen Ländern auf dem westlichen Balkan dienen", sagte ein Regierungssprecher in Berlin.

Wegen des Streits hatte das seit 2004 zur EU gehörende Slowenien im Dezember 2008 ein Veto gegen die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien eingelegt. Erst fast ein Jahr später nahm die EU die Gespräche mit Kroatien wieder auf.

Borut Pahor winkt vom Rednerpult (Foto: AP)
Bejubelt das Wahlergebnis: Ministerpräsident PahorBild: AP

Opposition: Kein zweites „Kärnten“

"Das ist eine Botschaft der Hoffnung für die anderen Völker", sagte der sozialistische Regierungschef Borut Pahor nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse, das Ja werde "sehr positive Folgen für die gesamte Region" haben. Seine kroatische Amtskollegin Jadranka Kosor sagte in Zagreb: "Es freut mich, dass es keine weitere Blockade geben wird."

Der slowenische Oppositionsführer Janez Jansa, der seine Anhänger zu einem "Nein" aufgerufen hatte, deutete das knappe Ergebnis als Beweis dafür, "wie gespalten unsere Nation ist": „Ich hoffe, dass wir unser Meer nicht verlieren, so wie wir vor 90 Jahren Kärnten um ein paar tausend Stimmen verloren haben." Im Jahr 1920 hatte sich das heutige österreichische Bundesland Kärnten dafür entschieden, innerhalb Österreichs zu bleiben. In Südkärnten stellten die Slowenen damals die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe.

Autorin: Marion Linnenbrink (afp, ap, dpa)
Redaktion: Christian Walz

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