Silvio Berlusconi nicht mehr "immun"
7. Oktober 2009Die 15 Verfassungsrichter erklärten am Mittwoch (07.10.2009) in Rom das umstrittene Gesetz für nicht verfassungskonform. Mit dem Gesetz hatte Berlusconi 2008 Staatspräsident, Ministerpräsident und den beiden Parlamentspräsidenten juristische Unantastbarkeit gesichert.
Wieder vor Gericht?
Aufgrund der höchstrichterlichen Entscheidung droht Medienmogul Berlusconi die Wiederaufnahme mehrerer Verfahren. In einem besonders aufsehenerregenden Prozess muss sich der 73-Jährige womöglich wegen Beeinflussung von Justizbehörden verantworten. 1998 soll er seinem früheren Anwalt David Mills 600.000 US-Dollar bezahlt haben, damit dieser in Prozessen gegen seinen Medienkonzern Mediaset Falschaussagen macht. Im Februar 2009 wurde Mills deshalb zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Das Urteil kam nach zweitägigen Beratungen nicht unerwartet. Das italienische Verfassungsgericht begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass es nicht ausreiche, eine Immunität gegen Strafverfolgung in einem Gesetz festzuschreiben. Dafür sei eine Änderung der Verfassung notwendig. Berlusconi hatte die Immunität hingegen lediglich per Misstrauensvotum im Parlament durchgesetzt.
"Ein politischer Prozess", meint Berlusconis Sprecher
"Es handelt sich um ein politisches Urteil, aber der Ministerpräsident und seine Mannschaft werden weiterregieren, wie es die Wähler bei allen Gelegenheiten seit den Parlamentswahlen 2008 gewünscht haben", kommentierte der Sprecher Berlusconis, Paolo Bonaiuti, die Entscheidung. Medien und Opposition hatten zuvor über mögliche Neuwahlen spekuliert. Berlusconi hatte aber noch vor kurzem erklärt, er werde unabhängig von der Entscheidung des Gerichts "auf jeden Fall bis zum Ende der Legislaturperiode weiterregieren".
Erfahrung mit der Justiz hat Berlusconi reichlich. Vorwürfe wegen Bilanzfälschung ließ ein Gericht 2002 nach langen Beratungen als verjährt fallen. Auch ein Verfahren um Korruption stellten die Richter 2001 wegen Verjährung ein. 1999 wurde er vom Vorwurf mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten beim Kauf eines privaten Grundstücks freigesprochen. Wegen Verjährung und Amnestie entfiel jede weitere Strafverfolgung. Wegen illegaler Parteienfinanzierung verurteilte ein Gericht Berlusconi 1998 zu 28 Monaten Haft. Ein Jahr später wurde das Urteil aufgehoben.
Der Verdacht, Berlusconis früheres Unternehmen Fininvest habe Schmiergelder an Steuerprüfer gezahlt, endete 1998 mit seiner Verurteilung zu 33 Monaten Haft. In einem Berufungsverfahren im Jahr 2000 wurde er freigesprochen. 1990 wurde er wegen Meineids verurteilt. Das Urteil wurde in einer Berufungsverhandlung bestätigt, verfiel aber wegen einer Amnestie. Wegen Bilanzfälschung beim Erwerb der Filmverleihfirma Medusa wurde er 1997 schließlich zu 16 Monaten Haft verdonnert. Im Jahr 2000 wurde er wieder freigesprochen - wegen "erwiesener Unschuld".
Autor: Oliver Samson
Redaktion: Stephan Stickelmann