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Lex Berlusconi - Gesetze für den eigenen Bedarf

Karl Hoffmann25. Juni 2008

Silvio Berlusconi macht nur, was ihm selbst nützt. Der italienische Regierungschef soll vor Jahren Richter bestochen haben. Ein neues, von ihm selbst in Auftrag gegebenes Gesetz soll ihn nun vor dem Prozess schützen.

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Silvio Berlusconi mit geschlossenen Augen und einer Hand am Mund
Berlusconi kann beruhigt sein - Dank seiner Gesetze kann die Justiz ihm nichts anhabenBild: AP

Nicolò Ghedini, Parlamentsabgeordneter in den Reihen von Berlusconis Regierungsmehrheit und Urheber des neuen Gesetzes, streitet rundum alle bösen Absichten ab: "Das sind optimale Regeln; die allen Italiener nützen werden. Sie haben überhaupt nichts mit den Prozessen gegen Silvio Berlusconi zu tun. Aber sie ermöglichen es, schwere Vergehen zu ahnden und wirkliche Verbrecher zu verfolgen." Der erfahrene Jurist Ghedini entwirft jene Gesetze, die Berlusconi besonders am Herzen liegen. Er ist der persönliche Anwalt des Regierungschefs und hat neben seiner Aufgabe, dem italienischen Volk zu dienen auch ein persönliches Interesse, seinen Arbeitgeber vor Strafverfolgung zu schützen.

Portrait Nicolo Ghedini
Des Teufels Advokat? - Nicolo Ghedini macht Berlusconis GesetzeBild: AP

Darin hat er Erfahrung: "In den vergangenen Jahren ist Silvio Berlusconi regelrecht verwüstet worden von bestimmten Richtern und von der Opposition", beklagt Ghedini. Er habe Hunderte Prozesse über sich ergehen lassen müssen, Tausende von Verhandlungen und mehr Ermittlungsverfahren als ein Mafioso, plädiert der Anwalt für seinen Klienten: "Jetzt will er endlich freigesprochen werden, weil er nichts angestellt hat, so wie es in allen vorangegangenen Prozessen der Fall war."

Richter wehren sich gegen Aussetzung von Prozessen

Der Freispruch soll nun mit Hilfe der neuen Vorschriften geschehen, wonach alle Gerichtsverfahren vorläufig ruhen sollen, in denen es um Delikte geht die vor dem 30 Juni 2002 begangen wurden und außerdem mit nicht mehr als zehn Jahren Haft bestraft werden. Die offizielle Begründung von Berlusconi: die völlig überlastete Justiz zeitweise von weniger wichtigen Prozessen zu befreien und vordringlich schwerste Straftaten abzuurteilen. Etwa 100.000 Gerichtsverfahren würden deshalb vorläufig ruhen, darunter just auch jenes gegen Berlusconi in Mailand, in dem er zum wiederholten Male wegen Bestechung von Richtern angeklagt ist. Also eigentlich doch ein Gesetz speziell zum Schutz von Berlusconi vor richterlicher Verfolgung?

Plenarsaal des italienischen Parlaments
Im Parlament besitzt Berlusconi die MehrheitBild: AP

Das gibt der Berlusconi-Abgeordnete Gaetano Quagliarello ohne Scham zu. Denn er ist überzeugt, dass da ein Komplott im Gange ist: "Zum dritten Mal gewinnt das Mitte-Rechts –Bündnis die Wahlen und prompt wird ebenfalls zum Dritten Mal ein Gerichtsverfahren in Gang gesetzt." Es sei höchste Zeit, dass der Konflikt zwischen Politikern und Richtern zum Wohl des Landes auf Eis gelegt werde. Berlusconis streitet wie üblich alle Vorwürfe der Richter vehement ab und feuert Breitseiten auf die Richterschaft, die die Aussetzung von zahllosen Gerichtsverfahren heftig beklagt. Mit dieser Vorschrift breche nicht nur das sowieso schon chaotische Justizwesen völlig zusammen, meint der oberste Richterrat, es würden auch immer mehr Vergehen ungesühnt bleiben. Und dann nehme das Unrecht überhand.

Bananenrepublik Italien?

Heftigen Angriffen sind auch die Richter in Berlusconis speziellem Korruptionsverfahren ausgesetzt. Die Regierung und die rechte Presse bemühen sich seit Wochen, den Ruf der Richter zu ruinieren, sie der Parteilichkeit zu überführen und damit ihre Versetzung zu erreichen, bislang ohne Erfolg. Antonio di Pietro früherer Chefankläger in der Korruptionsaffäre Mani Pulite, einer umfangreichen juristischen Untersuchung gegen Korruption, Amtsmissbrauch und illegale Parteifinanzierung auf politischer Ebene Anfang und Mitte der 90er Jahre, ist heute selbst Parlamentsabgeordneter und geht auf die Barrikaden .

Porträt Antonio di Pietro
Antonio di Pietro: "Diese Gesetze gehören auf den Müll!"Bild: AP

"Wir haben einen Müllnotstand auch in der Politik", sagt er. "Diese schändlichen Gesetze gehören in den Abfalleimer. Wir kennen ihn inzwischen, unseren Regierungschef. Der alte Schlauberger lässt sich wählen von den Leuten, denen er das Blaue vom Himmel verspricht, um ausschließlich seinen eigenen Nutzen zu verfolgen." Die Bürger, die sich von seiner Wahl die Lösung der zahlreichen Probleme Italiens erhofften, sind von Berlusconi schon wieder enttäuscht. "Wie ist es nur möglich, dass der Ministerpräsident, also der mächtigste Mann im Land seit zehn Jahren die Justiz verunglimpf", beklagt sich ein Mann auf der Straße. "So etwas ist in keinem anderen Land auf der Welt denkbar, nur bei uns. Wir sind und bleiben eine Bananenrepublik."