Serbien sagt Ja
30. Oktober 2006Der national-konservative Ministerpräsident Vojislav Kostunica drohte in der Referendumsnacht allen, die gegen die neue serbische Verfassung stimmen und so eine Abspaltung des Kosovo ermöglichen würden: "Jegliche Entscheidung, die nach einer bedingten oder beschränkten Unabhängigkeit des Kosovo riechen würde, würde für Serbien eine Veränderung der Lage bedeuten, in Bezug auf die Länder, die zu einer einseitigen Anerkennung des Kosovo greifen würden. Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben."
Knapp 54 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen, knapp 52 Prozent von ihnen stimmten für die neue Verfassung. Die endgültigen Ergebnisse werden zwar erst am Mittwoch (1.11.) bekanntgegeben, doch die Referendumskommission und die Beobachtergruppe CeSID gehen davon aus, dass sich wenig ändern wird.
"Unzertrennlicher Teil"
Die neue Verfassung war nötig geworden, weil sich im Sommer Montenegro aus dem Staatenbund mit Serbien getrennt hatte. Gewollt war sie zudem als eine Antwort auf die schwere Regierungskrise und die erwartete Entscheidung der UNO über den Status des Kosovo. In der Präambel der Verfassung steht, dass die abtrünnige Albaner-Provinz ein unzertrennlicher Teil Serbiens ist. Diese Bindung mache die Wahl für einen Großteil der Bürger zu einem Referendum für oder gegen das Kosovo, so der Belgrader Politologe Vladimir Goati.
Im Kosovo fand die Volksabstimmung nur in den von Serben besiedelten Gebieten statt. In Südserbien boykotierten die dortigen Albaner das Referendum völlig. Auch in anderen Regionen mit starkem Minderheitenanteil - wie etwa in der Nordprovinz Voivodina - war die Wahlbeteiligung niedrig. Das Mitwirken der rechtsextremen Parteien am Grundgesetz hatte Serbiens ungarische und bosnische Bevölkerung verschreckt. Experten meinen aber, dass die neue Verfassung in Sachen Bürger- und Minderheitenrechte die europäischen Standards erfüllt.
Verfassungsgegner riefen zum Boykott auf
Kritik hagelt es wegen der als undemokratisch titulierten Prozedur vor der Volksabstimmung. Für die Bürgerbewegung und die kleinen Oppositionsparteien sei die Verfassung ein dem Volk ohne öffentliche Debatte aufgezwungener Text, ein Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners der großen Parteien. Die Verfassungsgegner riefen zum Boykott auf und behaupten nun, dass weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten mit "Ja" gestimmt haben. Der junge Politiker Cedomir Jovanovic wittert Wahlbetrug. Das Referendum und sein Ausgang seien wegen der ganzen Organisation nicht legitim und nicht legal.
Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen
Die Beobachter der Gruppe CeSID geben ihm Recht darin, dass es, vor allem in den letzten Stunden, viele Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Nur könnten diese, so CeSID-Experten, den Ausgang der Volksabstimmung nicht beeinflussen. Jovanovic sieht seine Chance bei den Wahlen Ende des Jahres. Er ist nicht der Einzige. Auch Staatspräsident Boris Tadic betonte am Sonntagabend (29.10.) die Notwendigkeit von Neuwahlen. Der populärste Politiker des Landes hofft dabei auf den eigenen und den Sieg seiner Mitte-Links-Partei bei den vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Tadic möchte, dass beide in der zweiten Dezemberhälfte stattfinden. Die Regierungskoalition, die vor einem Monat wegen Aussetzung der EU-Verhandlungen zerfallen ist, stemmt sich noch dagegen. Doch die - wenn auch denkbar knappe - Annahme der Verfassung gibt, so glauben die Beobachter, eher Premier Kostunica frischen Wind.