Senegal stärkt Menschenrechte
4. September 2013Präsident Macky Sall hatte am Sonntag (01.09.2013) nicht nur Premierminister Abdoul Mbaye entlassen, sondern gleich die gesamte Regierung - nach nur 17 Monaten im Amt und ohne weitere Begründung. Im März vergangenen Jahres hatte Sall die Präsidentschaftswahl im zweiten Wahlgang gegen Amtsinhaber Abdoulaye Wade gewonnen. Dass nun das gesamte Kabinett entlassen wurde, kam für viele überraschend.
Dennoch hatten viele eine Regierungsumbildung erwartet, etwa Aboubakry M'Bodji von der Organisation Afrikanischer Zusammenschluss für die Verteidigung der Menschenrechte. "Die Senegalesen haben bislang keine Verbesserung ihrer Lebensumstände gespürt", so M'Bodji. Die Unzufriedenheit sei groß, und im kommenden Jahr stünden die Kommunalwahlen an. "Darauf bereitet sich die Partei des Präsidenten jetzt vor", so M'Bodji.
Neun der insgesamt 32 Minister sind neu ins Kabinett berufen worden; sie gehören der Partei Allianz für die Republik (APR) von Präsident Sall an. Damit berücksichtigt Sall parteiinterne Kritiker, die mehr Posten für APR-Mitglieder gefordert hatten. Der international bekannte Sänger Youssou N'Dour, bislang Tourismusminister, ist nicht mehr in der Regierung, soll nun aber offenbar Berater des Präsidenten werden.
Heikle Themen
Die wichtigste Neubesetzung stellte sich noch am Sonntagabend gleich selbst in Dakar der Presse: Aminata Touré, bislang Justizministerin, ist neue Premierministerin des westafrikanischen Landes. Sieben Jahre leitete die studierte Ökonomin die Abteilung für Entwicklung bei den Vereinten Nationen in New York. Aminata Touré ist eine Frau, die die Konfrontation nicht scheut - das zeigt sich schon an ihren Hobbys: Früher spielte die bald 51-jährige Senegalesin Fußball und Handball.
Entsprechend beherzt nahm sie sich nach dem Wahlsieg ihres Parteifreundes Sall im März 2012 als Justizministerin die heiklen Themen der senegalesischen Politik vor. Etwa die mutmaßliche Veruntreuung öffentlicher Gelder durch die Vorgängerregierungen unter Ex-Präsident Aboulaye Wade. Die Nachforschungen betrafen nicht nur dessen Sohn, Karim Wade, der nun in Untersuchungshaft sitzt. Auch gegen ihren eigenen Ex-Mann ließ Touré ermitteln.
Menschenrechtler wird Justizminister
Dass Präsident Sall diesen Weg der Stärkung von Bürger- und Menschenrechten auch weiterhin gezielt verfolgt, zeigt eine weitere Neubesetzung: Tourés Nachfolger im Justizministerium ist der Menschenrechtler Sidiki Kaba. Der Rechtsanwalt war lange Zeit Vorsitzender der Internationalen Liga für Menschenrechte im Senegal. "Touré und Kaba sind engagiert und seit Jahren aktiv gewesen und von daher auch glaubwürdig", sagt Friedrich Kramme-Stermose. Er leitet das Auslandsbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Dakar. "Ich nehme beide Personalentscheidung als Zeichen dafür, dass diese Regierung es mit ihrem Vorhaben ernst meint, sowohl in dem Prozess Hissène Habré als auch in anderen Menschenrechtsfragen voranzukommen."
Der Prozess gegen Habré ist ein weiteres delikates Kapitel, das Aminata Touré als Justizministerin in Angriff genommen hat. Dem früheren Präsidenten des Tschad wird die systematische Folter und Tötung vieler Tausend Menschen vorgeworfen. 1990 wurde er in seinem Land durch einen Putsch aus dem Amt gejagt und konnte in den Senegal fliehen. Der gewährte ihm bis vor einem Jahr Schutz vor Auslieferung und juristischer Verfolgung. Dann trat Touré ihr Amt an - nun soll ein eigens eingerichteter Gerichtshof in Dakar Habré den Prozess machen. Der neue Justizminister Kaba vertrat bislang übrigens als Rechtsanwalt Angehörige von Opfern aus dem Tschad.
Senegalesen haben andere Sorgen
Abgesehen von diesem prominenten Fall geht es im Senegal im Bereich der Menschenrechte vor allem um Reformen in Justiz und Polizei. "Die Tatsache, dass es eine Reihe von Menschen gibt, die schon seit langem ohne Verfahren im Gefängnis sitzen, ist untragbar", sagt Kramme-Stermose. Hier müsse der neue Justizminister aktiv werden und für schnellere Verfahren sorgen. Ähnliches gelte für Übergriffe von Polizisten auf Häftlinge, die es in der Vergangenheit immer wieder gegeben habe, so Kramme-Stermose.
Während die harte Gangart der ehemaligen Justizministerin und neuen Premierministerin Aminata Touré gegen korrupte Regierungsbeamte im westlichen Ausland gut ankommt, bringt sie ihr zuhause auch Kritik ein. "Die Senegalesen beschweren sich, dass sich die Regierung seit ihrem Amtsamtritt um kaum etwas anderes gekümmert hat als um die Ermittlungen", sagt die Senegalesin Fatoumata Gueye. Sie betreut Projekte zur politischen Bildung im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Dakar.
"Die Sorgen der Senegalesen liegen woanders", so Gueye. Die Inflation etwa ist gestiegen, Grundnahrungsmittel sind teurer geworden, viele junge Senegalesen sind ohne Job. Die Bevölkerung sieht nach anderthalb Jahren Amtsantritt des neuen Präsidenten keine Verbesserung der eigenen Lebenssituation - der Frust ist groß. Auch deshalb hat Präsident Sall nun eine neue Regierungsmannschaft aufgestellt.