Schäbiger Triumph für Lukaschenko
20. Oktober 2004Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission hat sich der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko die Option auf eine dritte Amtszeit gesichert. Die Wähler sprachen sich demnach beim Referendum am Sonntag (17.10.) zu 77 Prozent für eine Verfassungsänderung aus, mit der eine zeitliche Beschränkung der Präsidentschaft abgeschafft werden soll. Laut einer Wählernachfrage des unabhängigen Gallup-Instituts stimmten nur 48,4 Prozent für die Änderung, womit das Referendum gescheitert wäre. Westliche Wahlbeobachter berichteten von massiven Einschüchterungen seitens der Behörden. Am Montag berichteten offizielle westliche Wahlbeobachter, sie seien in ihrer Arbeit stark beeinträchtigt worden.
"Wir haben ungewöhnlich viel Behinderung erfahren", sagte Uta Zapf, Leiterin der OSZE-Arbeitsgruppe für Weißrussland, in Medienberichten am Montag. Andere Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprachen von einer "perfekten Inszenierung". Bei der zugleich mit dem Referendum abgehaltenen Parlamentswahl war kein einziger Oppositionskandidat erfolgreich, wie die Wahlkommission am Montagmorgen (18.10.2004) mitteilte.
Opposition erfolglos
Das Ergebnis der Wahlfarce in Weißrussland war absehbar - schon im Vorfeld vermuteten Skeptiker, es komme in dem auch Belarus genannten Land nicht darauf an, wie gewählt, sondern wie gezählt werde. Gezählt wurde am Sonntag (17.10.) so, wie es der Präsident und die politische Führung des Landes für richtig befanden. Das Ergebnis ist ein schäbiger Triumph für Alexander Lukaschenko, den letzten Despoten Europas.
Willfähriges Parlament
Der Präsident ließ die Verfassung zu seinen Gunsten zurechtbiegen. Das Referendum war nur ein scheindemokratisches Manöver zur Bemäntelung der Manipulation. Lukaschenko wird nun noch viele weitere Jahre an der Spitze von Belarus stehen. Und ein gleichzeitig gewähltes willfähriges Parlament von seinen Gnaden dürfte ihm auch künftig keine Steine in den Weg legen.
Mit dem Begriff Wahlbetrug ist die Lage wohl zutreffend beschrieben. Oppositionelle Kandidaten waren massiv behindert, die Arbeit unabhängiger Medien eingeschränkt und verboten worden, der Geheimdienst - in Belarus heißt er noch KGB - war überall präsent. Im Lande verbreitete sich ein Klima der Angst. Eineinhalb Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der UdSSR herrschen in Belarus weiter sowjetische Verhältnisse: Ein autoritärer Staatschef - der sich gerne als den Vater der Nation feiern lässt - mit einer Nomenklatura als Stützpfeiler seiner Macht, ein undemokratisches politisches System, eine Planwirtschaft fest in der Hand des Staates und eine Bevölkerung, die - politisch manipuliert - keine Alternativen kennt und sich zu einem großen Teil nichts wünscht als Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Zaghaftes Europa
Die Versuche der Europäischen Union (EU), das despotische Regime in Belarus politisch zu isolieren, den Präsidenten mit Appellen und Angeboten zur Umkehr zu zwingen, waren zaghaft und blieben ohne Ergebnis. Eine Änderung der politischen Verhältnisse in Belarus kann womöglich nur von innen kommen. Das braucht Zeit und Geduld, aber auch die Unterstützung des Westens für eine - noch schwache - Opposition und eine - äußerst lebendige - Zivilgesellschaft.
Aufmerksam muss die Europäische Union beobachten, was zwischen Belarus und Russland geschieht. Denn beim großen Nachbarn gibt es Anzeichen dafür, dass der russische Präsident Wladimir Putin sich ein Beispiel nehmen könnte an seinem Amtskollegen Lukaschenko. Auch Putin darf nach geltender Rechtslage nicht unbegrenzt weiter regieren. Angeblich liebäugelt er bereits ebenfalls mit einer Verfassungsänderung, die ihm seine Macht auf lange Dauer sichern könnte.