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Schwierige Nachbarn

Ute Schaeffer7. Mai 2003

Nach dem Zerfall der Sowjetunion suchen die Ukraine und Belarus immer noch ihren Platz im sich neu formierenden Europa. Das gilt für die Ablösung autoritärer gesellschaftlicher Strukturen, aber auch für die Außenpolitik.

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Kiew mit Vollmond, aber ohne Sterne der Europa-FlaggeBild: AP

Die Ukraine und Belarus haben zunächst einmal nur eines gemeinsam: Ihre sowjetische Vergangenheit, und ihre Lage als neue Nachbarn der Europäischen Union, sobald Polen, Litauen und Lettland 2004 der EU beigetreten sind. Doch das ist auch fast alles, denn ansonsten sind beide Staaten denkbar ungleich:

Steiniger Weg in die EU

Hier der 10-Millionen-Menschen-Staat Belarus, der sich mit Russland zu einer politisch-wirtschaftlichen Union vereinigen möchte. Und dessen Bevölkerung unter dem diktatorisch regierenden Präsidenten Lukaschenko die Restauration des sowjetischen Systems durchleidet. Dort der große Flächenstaat Ukraine mit insgesamt 49 Millionen Menschen, der – wenn man den Worten seiner Führung Glauben schenkt – die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union anstrebt und eine institutionelle Zusammenarbeit mit Russland strikt ablehnt. Experten sind sich einig, dass die Ukraine in den vergangenen Jahren große Schritte in Richtung EU unternommen hat. Minsk hingegen betreibt eine Politik der Selbstisolation, indem es die westeuropäischen Werte als "liberalen Terror" verdammt.

Im Unterschied zu Belarus ist für die politische Elite in Kiew die EU-Vollmitgliedschaft erklärtes außenpolitisches Ziel. Doch wie kann man in die EU ein Land integrieren, dessen Durchschnittseinkommen bei rund 50 Euro liegt, wo Korruption allgegenwärtig ist und Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen damit infiziert sind? Wo Pressefreiheit und demokratische Grundwerte immer noch nicht akzeptiert sind und einflussreiche Interessengruppen die Geschicke des Staates und große Wirtschaftssektoren in ihrer Hand halten?

Konzept der neuen Nachbarschaft

Das halten auch die EU-Politiker in Brüssel für ein schwieriges Vorhaben. Die EU entwickelte daher vor einigen Monaten mit Blick auf die Ukraine, Moldova und Russland das Konzept einer "Neuen Nachbarschaft". Dessen Ziel ist ein Nachbarschaftsvertrag mit den künftigen Nachbarstaaten der Europäischen Union. Er soll das Instrument der Partnerschaftsabkommen ablösen. Das Konzept gehe in die richtige Richtung, allerdings müsse es noch konkreter werden, fordert Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion: "Die Intention ist zunächst richtig; nur kommt es in den nächsten Monaten darauf an, das Programm zu implementieren und mit Leben zu füllen."

Auch Heinz Timmermann von der Stiftung Wissenschaft und Politik hält Brüssel Anliegen für prinzipiell richtig. Im Klartext gehe es dabei um einen Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Brüssel und Kiew: "Damit sollen auf einer Reihe von Kooperationsfeiern die Beziehungen Brüssel - Kiew immer enger gestaltet werden und mit seiner Fixierung konkreter 'Wegmarken' die Integrationschancen für Kiew weiter verbessert werden."

Ansporn für demokratischen Wandel

Institutionelle Verbindungen sind im neuen Nachbarschaftskonzept allerdings nicht vorgesehen. Beobachter befürchten daher, Kiew könnte sich in Zukunft Moskau noch stärker zuwenden. Erste Anzeichen dafür waren die Ernennung des ukrainischen Präsidenten zum Vorsitzenden der GUS und der Zusammenschluss der vier Staaten Russland, Ukraine, Kasachstan und Belarus mit dem Ziel, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu gründen.

Dennoch oder gerade deshalb hält Winfried Nachtwei es für wichtig, das Ziel der Vollmitgliedschaft – als Ansporn für demokratischen Wandel – weiter aufrecht zu erhalten. Dabei sei es wichtig, positive Entwicklungen zu entdecken und zu fördern. Der Experte warnt: "Wenn man lediglich sieht, was zurzeit ist, dann erscheint die Idee der Vollmitgliedschaft so gut wie unmöglich - angesichts von Verkrustungen und korrumptiven Strukturen."