Aufbahrung in der Knesset
12. Januar 2014Israel nimmt am Montagmorgen zunächst mit einer staatlichen Trauerfeier im Parlament Abschied von Ariel Scharon. Das Begräbnis findet dann am Nachmittag auf Scharons Ranch in der Negev-Wüste im Süden des Landes statt, wie der Armeerundfunk und weitere israelische Medien berichteten. Zuvor wird Scharon an diesem Sonntag im israelischen Parlament aufgebahrt, damit sich die Öffentlichkeit von dem früheren Regierungschef verabschieden kann.
Scharon war am Samstag in einem Krankenhaus bei Tel Aviv im Alter von 85 Jahren gestorben. Im Januar 2006 hatte er einen Schlaganfall erlitten, seither lag der Ex-Ministerpräsident im Koma und wurde künstlich ernährt.
Die israelische Regierung reagierte bestürzt auf die Nachricht von Scharons Tod. Israel verneige sich vor ihm und werde sein Andenken für immer in Ehren halten, sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu. Präsident Schimon Peres würdigte Scharon als einen "mutigen Soldaten und kühnen Anführer". Er sei "einer der wichtigsten Architekten" des Landes gewesen.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon lobte den "politischen Mut" Scharons. Die israelische Regierung solle sich dessen Pragmatismus bei den derzeitigen Nahost-Friedensverhandlungen als Beispiel nehmen, ließ Ban über seinen Sprecher mitteilen. Scharon sei ein "Held seines Volkes" gewesen. Sein Tod habe ihn sehr traurig gemacht.
US-Präsident Barack Obama erklärte, Scharon habe "sein Leben ganz dem Staat Israel gewidmet". Frankreichs Präsident François Hollande lobte den Ex-Regierungschef dafür, dass er am Ende seiner langen militärischen und politischen Karriere den Dialog mit den Palästinensern gesucht habe.
Lob für Siedler-Abzug aus Gazastreifen
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hob die "großen Verdienste" des früheren Regierungschefs hervor. "Mit seiner mutigen Entscheidung, die israelischen Siedler aus dem Gazastreifen abzuziehen, hat er einen historischen Schritt auf dem Weg zu einem Ausgleich mit den Palästinensern und zu einer Zwei-Staaten-Lösung getan", erklärte Merkel in Berlin.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ließ verlauten, Scharon sei ein "unermüdlicher Verteidiger seines geliebten Heimatlandes Israel" gewesen. Steinmeier wird am Montag zu einem Besuch in Israel erwartet.
Scharon war ins Koma gefallen, als er an der Spitze der Regierung gerade eine dramatische politische Wende eingeleitet hatte: Er wollte die Grenzen Israels neu ziehen und so einer Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts den Weg bereiten. Seit seinem Tod hat es in dem Konflikt keinen Durchbruch gegeben.
Bei vielen Palästinensern ist Scharon trotz seines politischen Schwenks verhasst. Eine offizielle Untersuchung gab ihm die "indirekte Verantwortung" für ein Massaker an mehreren hundert Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila im September 1982.
Palästinenser: "Ein Verbrecher"
Scharon sei ein "Verbrecher" gewesen, sagte ein Vertreter der palästinensischen Fatah, Dschibril Radschub, der Nachrichtenagentur AFP. Die Palästinenser hätten gehofft, dass sich Scharon "vor dem Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrecher hätte verantworten müssen". Ähnlich äußerte sich die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Auch die im Gazastreifen regierende radikalislamische Hamas erklärte, mit Scharon sei ein "Verbrecher" gestorben, "dessen Hände mit palästinensischem Blut besudelt sind". Sein Tod sei ein "historischer Augenblick".
gri/se (dpa, afp)