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Ariel Scharon - Hardliner und Realist

Andreas Gorzewski 11. Januar 2014

Als General und später als Politiker prägte der Konservative über Jahrzehnte die israelische Geschichte. Nach acht Jahren im Koma starb Ariel Scharon im Alter von 85 Jahren.

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Schwarz-weiß Portrait von Ariel Sharon (Foto: AFP)
Bild: Kevin Frayer/AFP/Getty Images

Ariel Scharon - Spitzname Arik - wurde oft als Falke, Haudegen oder Hardliner beschrieben. Nach dem Titel seiner englischen Autobiografie war er ein "Warrior" (Krieger). Je nach Perspektive waren die Reaktionen auf ihn anerkennend und bewundernd oder ablehnend bis hasserfüllt. Für viele Israelis war er der "Held des Jom-Kippur-Krieges". Für viele Palästinenser war er zusammen mit einem libanesischen Milizenführer der "Schlächter von Sabra und Schatila".

Scharon kam 1928 als Ariel Scheinermann in der Nähe von Tel Aviv zur Welt. Seine Eltern waren osteuropäische Juden, die ihren Familiennamen nach dem Scharon-Tal änderten. Scharons Leben ist eng mit der Geschichte des Staates Israel verbunden. Im Unabhängigkeitskrieg 1948 kämpfte er als Zugführer einer Infanterie-Brigade gegen arabische Truppen. 1953 baute er eine Spezialeinheit für Vergeltungsangriffe nach Anschlägen palästinensischer Kämpfer auf. Im Jom-Kippur-Krieg 1973 half seine waghalsige - und offenbar eigenmächtige - Überquerung des Suez-Kanals mit einer Panzereinheit, den Sieg über Ägypten zu erringen.

Vom Offizier zum Politiker

Wie viele israelische Spitzenpolitiker nutzte Scharon seine Militärlaufbahn als Sprungbrett für eine politische Karriere. Er zog für die konservative Likud-Partei ins Parlament ein und war zunächst Landwirtschaftsminister. Darüber hinaus führte er das Verteidigungsressort.

Israel Ariel Sharon und Shimon Peres (Archivbild 1975, Foto: Hulton / Getty Images)
Ariel Scharon (rechts) und Shimon Peres (1975)Bild: Hulton Archive/Getty Images

In diese Zeit fiel der Einmarsch in den Libanon. Ziel des Feldzugs war, die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) aus dem nördlichen Nachbarland zu vertreiben. Eine mit Israel verbündete Christen-Miliz griff nach dem Abzug der PLO die Flüchtlingslager Sabra und Schatila in Beirut an. Die Milizionäre töteten dort Hunderte von Palästinensern. Das Massaker, das in israelisch kontrolliertem Gebiet stattfand, führte zu einem internationalen Protestschrei.

Folgenlose Ermittlungen

Eine israelische Untersuchungskommission wies Scharon eine Mitschuld an dem Blutbad zu. 1983 trat er als Verteidigungsminister zurück, blieb jedoch als Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett. In Belgien wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Scharon wegen der Gewalttaten eingeleitet, dann aber nicht weiter verfolgt. Das belgische Rechtssystem hatte seinerzeit solch ein Verfahren nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip ermöglicht.

Langfristig schadete dies seiner Karriere jedoch nicht. Scharon übernahm in den folgenden Jahren unter anderem das Außen-, das Handels- und das Bauministerium. 2001 wurde er zum Ministerpräsidenten gewählt. Nach einem innerparteilichen Machtkampf kündigte er Ende 2005 seinen Rücktritt als Premier an und schied aus dem Likud-Block aus, um die neue Kadima-Partei zu gründen.

Unabhängigen Palästinenserstaat zunächst abgelehnt

Gegenüber den Palästinensern profilierte sich Scharon lange als kompromissloser Hardliner. Sicherheit für Israel bezeichnete er stets als sein Hauptanliegen. Einen eigenständigen Palästinenserstaat sah er kritisch. Deshalb stand er den Autonomiegesprächen mit den Palästinensern distanziert gegenüber. Nach einer Reihe von palästinensischen Selbstmordanschlägen auf Israelis machte Scharon den Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat für die Gewalt verantwortlich. Trotz internationaler Kritik ließ er Arafat in seinem Amtssitz in Ramallah unter Hausarrest stellen.

Ariel Scharon im Libanon - Archivbild 1982 (Foto: AFP)
Ariel Scharon im Libanon (1982)Bild: AFP/Getty Images

Scharon scheute auch vor Provokationen nicht zurück. So bezog er eine Wohnung mitten im arabischen Teil der Altstadt von Jerusalem. Im September 2000 löste er durch einen demonstrativen Besuch auf dem Jerusalemer Tempelberg, auf dem eines der höchsten islamischen Heiligtümer steht, neue Unruhen aus. Die Straßenschlachten wuchsen sich zur zweiten Intifada aus. Dieser Palästinenseraufstand dauerte viereinhalb Jahre.

Jüdische Siedlungen im Gaza-Streifen geräumt

Scharon rückte später von seiner unnachgiebigen Haltung ab. Ausgerechnet der langjährige Falke ließ das israelische Militär aus dem Gaza-Streifen abziehen und die jüdischen Siedlungen dort räumen. In seiner Autobiografie betont er, dass Juden und Araber miteinander leben könnten. Nach Einschätzung des ehemaligen israelischen Botschafters in Deutschland, Avi Primor, ist der damalige Premier jedoch seinen Grundüberzeugungen treu geblieben. "Ariel Scharon hat weder seine Ideologie, noch seine Politik und schon gar nicht seine Instinkte geändert", schrieb Primor in der Zeitschrift "Cicero". Scharon habe vielmehr als Realist die sich wandelnden Gegebenheiten akzeptiert.

Am 4. Januar 2006 erlitt der Premier einen schweren Schlaganfall. Seitdem lag er im Koma. Am Samstag (11. Januar 2014) starb Ariel Scharon im Alter von 85 Jahren.