Erobert Magnus Carlsen auch New York?
10. November 2016Raus aus dem Hinterzimmer, auf nach Manhattan: Schachweltmeister Magnus Carlsen ist in der Stadt angekommen, die seinem Sport und ihm selbst mehr Popularität einbringen soll. Ab Freitag tritt der 25-jährige Norweger in New York City beim WM-Duell gegen seinen russischen Herausforderer Sergej Karjakin an. Das Turnier ist vom 11. bis zum 30. November angesetzt. "Für Magnus ist das Match eine große Chance, das Spiel weltweit bekannter zu machen", sagt Espen Agdestein, der Manager des Weltmeisters. Nachdem die US-Schachspieler zuletzt Mannschaftsweltmeister wurden, ist der Schachsport wieder ein Thema in den USA. Das WM-Match zwischen Karjakin und Carlsen findet deshalb unweit der Wall Street statt. Der notorisch klamme Weltschachverband FIDE hofft so, finanzkräftige Sponsoren anzulocken.
Schach setzt auf das Internet
Entscheidend für die Popularität und Vermarktbarkeit des Denksports Schach ist allerdings das Internet. Schachpartien werden live im Netz übertragen, erläutert von kompetenten Experten, so dass auch Nichtprofis verstehen, was auf den 64 Feldern vor sich geht. In New York werden die Organisatoren zum ersten Mal eine aufwändige Videoberichterstattung produzieren und gegen Bezahlung im Internet anbieten. "Die Qualität dieser Übertragung ist entscheidend dafür, ob wir mit diesem Match ein breiteres Publikum erreichen", weiß Agdestein. Ob das klappt? So ganz sicher ist sich der Carlsen-Manager nicht, denn beim Probelauf im Frühjahr funktionierte die Technik nicht. Zudem versuchte der Dienstleister des Weltschachbunds die Live-Übertragung auf anderen Webseiten einzuschränken, was weltweit zu großer Verärgerung in der Schachszene führte.
Nicht zuletzt wegen solcher Pannen gilt das Verhältnis zwischen dem Weltschachbund und seinem größtem Zugpferd Magnus Carlsen als eher distanziert. Der Präsident der FIDE wird voraussichtlich die Reise nach New York gar nicht erst antreten. Der Grund ist pikant: Der von Russlands Präsident Vladimir Putin protegierte Kirsan Iljumschinow steht nämlich aufgrund dubioser Öl-Geschäfte in Syrien auf US-Sanktionslisten. Kaum vorstellbar, dass mit diesem Präsidenten ausgerechnet in den USA neue Sponsoren für den Schachsport gefunden werden können.
Angriffslustiger Carlsen gegen Verteidigungskünstler Karjakin
Die Schachwelt hofft unterdessen auf einen möglichst spannenden Wettkampf - und natürlich auf die Strahlkraft von Magnus Carlsen. Schon als Kind wurde der Norweger Schach-Großmeister, schlug alle Gegner und tritt in Showwettkämpfen auch schon mal mit verbundenen Augen gegen mehrere Konkurrenten gleichzeitig an. Unnötig zu erwähnen, dass er natürlich dennoch immer gewinnt. Sein Genie am Brett fasziniert weltweit viele Menschen und deshalb erscheint nun ein Kino-Dokumentarfilm, der zeigt, wie der Wunderknabe zum "Mozart des Schach" wurde.
Und natürlich ist Carlsen auch in New York klarer Favorit auf den Weltmeister-Titel. Der Norweger gilt als einer der besten Spieler aller Zeiten. Im direkten Vergleich hat Carlsen viermal gewonnen, nur einmal siegte bisher Karjakin. Doch auch wenn der Russe bisher nur eingefleischten Schachfans bekannt ist, ganz so leicht dürfte es für Carlsen nicht werden. "Er ist sehr nervenstark", lobte Magnus Carlsen seinen Gegner in einem Interview mit der Deutschen Welle. Der 26-Jährige Karjakin und Carlsen haben einiges gemeinsam: Beide schafften schon als Kinder den Sprung in das Spitzenschach und gehen ihre Partien ähnlich an. Statt den gegnerischen König wild anzugreifen, versuchen sie eher ihre Kontrahenten kontinuierlich unter Druck zu setzen.
Von Hackern und Computer-Spionage
Dass in New York deswegen Langeweile aufkommen wird, ist aber nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Carlsen ist bekannt dafür, Partien um jeden Preis gewinnen zu wollen, und dafür auch Risiken einzugehen. Karjakin hingegen gilt als Verteidigungskünstler, der versuchen wird, den manchmal etwas übermotiviert spielenden Norweger auszukontern. Diese, auf das Ausnutzen kleinster Fehler ausgerichtete, Spielweise ist auch ein Ergebnis des Computereinsatzes im Schach. Beide nutzen Rechner und Datenbanken intensiv für die Vorbereitung.
Die Bedeutung des Computers im Spitzenschach könnte jetzt jedoch auch zu einem Problem werden: Angesichts der vielen, zumeist russischen Hackern zugerechneten Datendiebstähle in der letzten Zeit macht sich Carlsens Team inzwischen Sorgen: "Wir schützen unsere Onlinekommunikation und unsere Daten bei diesem Turnier professionell", berichtet Manager Agdestein. Eine große amerikanische IT-Firma hilft den Norwegern dabei. Schließlich soll die Schach-WM 2016 nicht durch Datenspionage entschieden werden.