Schach-Weltmeister Carlsen spielt in Deutschland
18. April 2019"Es war einfach super!" - gut gelaunt präsentierte sich Magnus Carlsen Anfang April beim Weltklasse-Turnier in Shamkir in Aserbaidschan. Kein Wunder, denn der Schach-Champion lag am Ende mit zwei Punkten Vorsprung an der Spitze der Tabelle. Im Fußball wäre das vergleichbar mit einem 5:0-Kantersieg im Finale der Champions League. Vor allem der Schlussspurt, mit drei Siegen in Folge, imponierte der Konkurrenz. Sein letzter Gegner, der russische Spitzenspieler Alexander Grischuk, fasste seine Partie gegen den erstarkten Weltmeister etwas konsterniert so zusammen: "Carlsen hat die Stellung verblüffend gut gespielt."
Carlsen setzt auf Angriff
Fest steht: Magnus Carlsen - seit 2013 Schach-Weltmeister - hat wieder Spaß an seinem Sport. Das war vor einigen Monaten beim WM-Kampf in London noch ganz anders. Gefragt nach seinem Lieblingsspieler, gab der Norweger damals einen überraschenden Einblick in sein Seelenleben: "Mein liebster Spieler aus der Vergangenheit, das bin ich wahrscheinlich selbst - vor drei, vier Jahren." Carlsens Schwester spekulierte gar über einen bevorstehenden Rücktritt des Weltmeisters.
Von Amtsmüdigkeit ist jetzt aber nichts mehr zu spüren: In Shamkir überrollte Carlsen viele seiner hochklassigen Gegner geradezu. Sonst eher bekannt dafür, dass er kleine Vorteile ansammelt und seine Gegner so immer mehr unter Druck setzt, nahm der Weltmeister auf einmal die gegnerischen Könige direkt ins Visier. Möglicherweise hat sich der Weltmeister dabei von den aktuellen Entwicklungen im Computer-Schach inspirieren lassen.
"Alpha Zero" heißt das Programm, das seit gut einem Jahr die Schach-Szene durcheinanderwirbelt. Das Programm nutzt sogenannte "neuronale Netze". Damit bringt der Computer sich das Spiel selbst bei und tut dies verblüffenderweise so gut, dass "AlphaZero" nicht nur den besten menschlichen Schachspielern, sondern auch allen herkömmlichen Schach-Programmen weit enteilt ist.
"AlphaZero" als Vorbild?
In der Schach-Szene hat die Art und Weise, wie "AlphaZero" seine Partien gewinnt, viel Beachtung gefunden. Das Programm ist nämlich kein perfekt rechnender Defensivexperte, sondern entpuppte sich als aggressiver Angriffsspieler. Sicherlich hat sich auch Magnus Carlsen diese Computer-Partien ganz genau angeschaut. In Shamkir hatte man manchmal den Eindruck, dass Carlsen sich an der Spielweise des Programms orientiert - mit Erfolg.
Dass dieser neue Schwung beim Weltmeister auch beim "Grenke Chess Classic" in Baden-Baden und Karlsruhe anhält, wünschen sich natürlich seine Fans. Bei diesem wichtigsten Turnier in diesem Jahr in Deutschland trifft Carlsen auf jeden Fall wieder auf Fabiano Caruana - der spielte schon immer ein unternehmungslustiges Schach, ist aber seit der WM nicht mehr ganz so gut in Form.
Dazu kommen u.a. noch Ex-Weltmeister Vishy Anand aus Indien, der nach wie vor zu den besten Spielern der Welt gehört, Lewon Aronjan aus Armenien und Maxime Vachier-Lagrave aus Frankreich. "MVG", wie Vachier-Lagrave oft abgekürzt wird, ist mit 28 Jahren genauso alt wie der Weltmeister, inzwischen die Nummer acht in der Welt und könnte durchaus Carlsen und Caruana beim Kampf um den Turniersieg gefährlich werden.
Nachwuchs-Talent Vincent Keymer
Die deutschen Teilnehmer werden voraussichtlich nicht auf den Spitzenplätzen landen. Achtungserfolge werden dem routinierten Nationalspieler Georg Meier und der früheren deutschen Nummer eins Arkadij Naiditsch, der inzwischen für Aserbaidschan antritt, durchaus zugetraut.
Im Mittelpunkt des Interesses aus deutscher Sicht steht aber ein 14-jähriger Schüler aus Saulheim in der Nähe von Mainz: Vincent Keymer gilt als das größte deutsche Talent seit 50 Jahren und hat zum ersten Mal die Chance, sich mit der absoluten Weltspitze zu messen. Keymer ist noch nicht einmal offiziell Großmeister, hat aber schon einige Top-Spieler besiegt.
Seine erste Partie gegen Magnus Carlsen gleich zum Auftakt am Samstag (Beginn 15 Uhr MESZ) wird aus deutscher Sicht der Höhepunkt des Turniers sein: Spielt da vielleicht der aktuelle Weltmeister gegen einen möglichen Nachfolger?