Schach dem Virus: Gegner für Carlsen gesucht
14. März 2020Handschlag oder nur ein Kopfnicken zum Start der Partie? Das wird für die acht Schach-Großmeister zum Auftakt des Kandidaten-Turniers 2020 die erste knifflige Frage sein. In Zeiten der Coronavirus-Pandemie stellt auch ein Schachturnier ein Gesundheitsrisiko dar. Der Weltschachverband FIDE hat es den Spielern deshalb freigestellt, wie sie sich zum Start einer Partie begrüßen. Forderungen, das Turnier im russischen Jekatarinenburg zu verschieben, hatten die Schachfunktionäre in den vergangenen Wochen jedoch immer wieder zurückgewiesen. "Das Kandidaten-Turnier ist kein Massen-Event und Zuschauer sind ja nicht zugelassen", betonte FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich bei der Eröffnungspressekonferenz. Für den FIDE-Chef ist die Corona-Krise geradezu eine Chance. Denn Schach hat sich in den letzten Jahren zu einem Online-Sport entwickelt - und da andere Sportarten pausieren müssen, hoffen die Denksportler jetzt auf ein erhöhtes Interesses der Öffentlichkeit.
Eine Absage
Das Vorgehen der Funktionäre wird aber nicht von allen Spitzenspielern geteilt: Dem aserbaidschanischen Großmeister Timor Radjabov war das Risiko auf jeden Fall zu hoch - er sagte vor zwei Wochen ab. Damit sorgte er dafür , dass einer beliebtesten Top-Spieler jetzt doch noch mitspielen kann: Der Franzose Maxime Vachier-Lagrave hatte zunächst zum großen Bedauern der Schach-Szene den Sprung in das exklusive Kandidaten-Turnier knapp verpasst - obwohl er in den vergangenen Jahren zu den wenigen Spielern gehörten, die hin und wieder mit Weltmeister Magnus Carlsen auf Augenhöhe agierte. Ab Dienstag (17.03.2020) wird sich zeigen, ob der Franzose trotz der sehr kurzen Vorbereitungszeit mithalten kann.
Klare Favoriten
Anders als vor zwei Jahren gibt bei diesem Kandidatenturnier zwei klare Favoriten: Die meisten Experten erwarten, dass nach drei Wochen und 14 Runden entweder der US-Amerikaner Fabiano Caruana oder der Chinese Ding Liren ganz oben in der Tabelle stehen werden. Weltranglisten-Zweiter Caruana hatte zuletzt beim Turnier im holländischen Wijk van Zee ein Ausrufezeichen gesetzt. Mit zwei Punkten Vorsprung gewann er den Top-Wettbewerb vor dem erfolgsverwöhnten Weltmeister Magnus Carlsen. Dabei hatte Caruana (Spitzname: "Fabi") nach der knappen Niederlage im WM-Kampf im Dezember 2018 zunächst etwas an Schwung verloren. Der US-Amerikaner mit italienischen Wurzeln spielte gut, aber nicht überragend.
Stattdessen rückte in den vergangenen zwei Jahren ein anderer Spieler immer mehr in den Mittelpunkt: der Chinese Ding Liren. Zielstrebig hat sich der 27-Jährige Jahr für Jahr verbessert. Er gilt wegen seines druckvollen, aber immer sicheren Spiels inzwischen als ernsthafter Kandidat in der Frage, wer gegen Magnus Carlsen antreten darf. Für den Schachsport wäre das eine Premiere: Während bei den Frauen die chinesischen Spielerinnen schon seit langem dominieren, wäre Ding Liren der erste chinesische Mann, der um einen Weltmeistertitel spielt.
Wilder Junge und Remis-König
Ob neben den beiden Topfavoriten noch ein anderer Spieler ganz oben mitmischen kann, ist fraglich. Am ehesten wird dies - neben dem Nachrücker Vachier-Lagrave - noch den beiden Russen Alexander Grischuk und Ian Nepomniachtchi zugetraut. Viele Schachfans sind vor allem auf die Partien des 29-jährigen Nepomniachtchi gespannt. Der Russe ist eine Art „Enfant terrible“ das Schachs und setzt in seinen Partien oft auf volles Risiko. Ganz anders spielt der Niederländer Anish Giri: Ein Remis ist an seinem Brett immer das wahrscheinlichste Ergebnis. Ebenfalls noch dabei ist der zweite Chinese Wang Hao, der von einigen als eine Art Geheimfavorit eingestuft wird. Großer Außenseiter ist Kirill Alekseenko, der mit der „Wildcard“ des ausrichtenden russischen Verbands in das Achterfeld gekommen ist und es im Feld der Topleute sicher schwer haben wird.
(Aktualisiert: 16.03.2020)