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Südafrikas Wirtschaft vor der Wahl

7. Mai 2019

Südafrika war einst die Hoffnung für den ganzen Kontinent. Doch vor den Wahlen in dieser Woche kämpft das Land gegen den Absturz. Die Korruption schwindet nicht, die Arbeitslosigkeit ist gigantisch, das Wachstum gering.

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Afrika Südafrika - Wahlen - Pass
Bild: Getty Images/AFP/S. Reid

"Wann immer wir das Radio anmachen oder die Zeitung aufschlagen, gibt es einen weiteren Korruptionsskandal", klagte vor kurzem Mangosuthu Buthelezi, ein früherer Innenminister Südafrikas. "Es herrscht eine gewisse Hoffnungslosigkeit", zitierte die Zeitung "Citizen" unlängst den Politologen Daniel Silke. Zwar sind 27 Millionen der gut 55 Millionen Südafrikaner wahlberechtigt, doch ein Drittel von ihnen ließ sich für die Wahl nicht registrieren.

Die Hoffnungslosigkeit lässt sich in Zahlen fassen: Fast vier von zehn jungen Menschen zwischen 15 und 34 Jahren haben weder eine Arbeit noch stecken sie in der Ausbildung. Die Arbeitslosenquote insgesamt lag 2018  bei rund 28 Prozent - einer der höchsten Werte weltweit.

Südafrika - Wahl / Präsident Cyril Ramaphosa
Wahlkampf in Südafrika: Mit Präsident Cyril Ramaphosa in JohannesburgBild: picture-alliance/B. Curtis

Um gegensteuern und ausreichend Jobs für die eigene Bevölkerung schaffen zu können, bräuchte das Land laut Weltbank ein Wirtschaftswachstum von mindestens 7,0 Prozent. Tatsächlich wuchs das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr nur um 0,7 Prozent. Südafrika erlebte in dem Jahr die erste Rezession seit 2008. Für das laufende Jahr rechnen Experten mit einem Plus von 1,7 Prozent. 

Ramschniveau?

Auch im Ausland ist die Skepsis über die Lage am Kap nicht zu übersehen: Dem deutschen "Handelsblatt" zufolge flossen 2017 nur noch 1,3 Milliarden Dollar an Auslandsinvestitionen ins Land, im Jahr zuvor waren es noch 40 Prozent mehr.

Alle internationalen Ratingagenturen bis auf Moody's bewerten die Zahlungsfähigkeit des Landes mit Ramsch-Noten. Und das liegt nicht allein daran, dass das Haushaltsdefizit für das laufende Jahr wohl bei 4,2 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen dürfte. Südafrika hat mit schweren Hypotheken zu kämpfen, die vielfach auf die "verlorenen Jahre" unter Ex-Präsident Jacob Zuma zurückgehen.

Infografik Südafrikas Wirtschaft Kennzahlen DE

Zuma hat sich inzwischen in 700 Fällen von Korruption zu verantworten, bilanzierte jüngst die Wirtschaftszeitung "Economist". Zu der gigantischen Hinterlassenschaft in Sachen Korruption zählt der südafrikanische Stromversorger Eskom. Durch das Unternehmen gerät der gesamte Staat unter Druck.

"Eskom ist das größte systemische Risiko für die südafrikanische Wirtschaft", urteilte der Banker Colin Coleman von Goldman Sachs. Der Staatskonzern hat inzwischen 420 Milliarden Rand oder 30 Milliarden US-Dollar Schulden - eine Verzehnfachung innerhalb von zehn Jahren. Eskom muss Schulden machen, allein um seine Zinsen bezahlen zu können.

"Größtes systemisches Risiko"

Eskom heute ist ein Kind der Korruption. Offenbar verkauft der Versorger inzwischen weniger Strom als 2007, aber die Lohnkosten sind drei Mal so hoch wie damals. Milliarden von Rand seien durch aufgeblasene oder unklare Verträge verloren gegangen, so der "Economist".  "Die Bosse von Eskom haben mehr Zeit mit stehlen zugebracht als damit, die Firma zu managen", so das Blatt.

Rund 95 Prozent des Stroms in Südafrika kommt von Eskom. Wenn er denn kommt: Die Klagen wegen Stromausfällen häufen sich, auch in der Wirtschaft. Dabei hatte der Konzern nach dem Ende der Apartheid Großes geleistet und nach 1994 sehr zügig zwei Drittel aller schwarzen Haushalte ohne Strom elektrifiziert. 

Symbolbild Stromausfall Südafrika
Stromausfall in JohannesburgBild: picture-alliance/dpa/K. Ludbrook

Probleme wie die bei Eskom binden die Mittel des südafrikanischen Staates, und so fehlt Geld für dringend nötige Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Hinzu kommen eine Inflationsrate von fünf Prozent und ein wachsendes Haushaltsdefizit.

Nach Einschätzung der Weltbank ist Südafrika "das Land auf der Welt mit dem höchsten Maß an Ungleichheit". Ein Zehntel der Bevölkerung verfügt über neun Zehntel des Wohlstands.

Zwar hat sich unter den Fittichen der Regierungspartei ANC eine überaus wohlhabende schwarze Elite entwickelt, im Durchschnitt aber verdient ein Haushalt von schwarzen Südafrikanern immer noch 20 Prozent weniger als ein weißer Haushalt, wie die "Financial Times" berichtete.

Problem Landreform

Deutlicher als anderswo wird dieses Problem beim Landbesitz. Kaum ein Thema hat die Debatten im Land über Jahre hinweg so beherrscht. Fast drei Viertel der Agrarflächen Südafrikas sind im Besitz von Weißen, obwohl deren Anteil an der Bevölkerung nicht einmal zehn Prozent beträgt.

Dieses Missverhältnis ist ein Erbe der Apartheid. Nach der Landreform von 1913, dem "Native Land Act", wurden 93 Prozent des Landes Weißen zugesprochen. Millionen Menschen verloren ihre Lebensgrundlage. Seit dem Ende der Rassentrennung versuchen ANC-geführte Regierungen, hier gegenzusteuern, allerdings ohne viel Erfolg und auch oft mit gedrosseltem Engagement. Das Beispiel Simbabwe mag hier abschreckende Wirkung gehabt haben: Dort wurden weiße Farmer nach einer Verfassungsreform im Jahr 2000 enteignet, 50.000 von ihnen verließen das Land, die Versorgung litt, die Wirtschaftskrise wurde beschleunigt.

Bildergalerie Schwarzfusskatzen
Streitobjekt Agrarland - Farm in der Provinz Karoo, SüdafrikaBild: Christine Ritzen

Die südafrikanische Regierung hätte heute kaum genügend Haushaltsmittel, um Entschädigungen im Rahmen einer Landreform zu finanzieren. Das Land kann sich nicht einmal dringend nötige Konjunkturprogramme leisten, um Jobs zu schaffen. Immerhin sollen umgerechnet 25 Milliarden Euro in ein Infrastrukturprogramm fließen - wenn die Regierung von Präsident Cyril Ramaphosa auch nach den Wahlen im Amt bleibt.

Die Korruption der letzten Jahre ist offenbar ein zähes Erbe, und viele Beobachter finden, es müsse mehr gegen sie unternommen werden. Ein Bericht des südafrikanischen "Bureau for Economic Research" kam Ende letzten Jahres zu dem Schluss, die Wirtschaftsleistung Südafrikas könnte heute um 30 Prozent höher liegen, wenn sich das Land im vergangenen Jahrzehnt ähnlich stabil entwickelt hätte wie vergleichbare Schwellenländer in Lateinamerika oder Asien.

ar/bea (rtr, dpa, KNA – Archiv)