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Politik

Schicksalswahl für Südafrikas ANC

Antonio Cascais
8. Mai 2019

Südafrika wählt ein neues Parlament. Für Staatspräsident Cyril Ramaphosa und die Regierungspartei ANC war es ein schwieriger Wahlkampf. Doch trotz zahlreicher Skandale dürfte die Partei am Ende vorne liegen.

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Präsident Cyril Ramaphosa im Wahlkampf
Präsident Cyril Ramaphosa präsentiert sich als engagierter ReformerBild: Getty Images/AFP/R. Jantilal

25 Jahre nach dem Ende der Apartheid zeichnen Beobachter ein düsteres Bild von der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lage Südafrikas. "Es gibt eine Reihe von schlechten Entwicklungen im Land, vor allem im Hinblick auf die ökonomische Situation", sagt Melanie Müller von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zur DW. Tatsächlich stagniert die Wirtschaft von Afrikas einzigem Industriestaat. Die Staatsverschuldung ist besorgniserregend. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 27 Prozent, mehr als jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos.

Viele Beobachter geben der Regierungspartei ANC einen entscheidenden Anteil an der Misere. Sie regiert das Land seit den ersten demokratischen Wahlen 1994. Zahlreichen ANC-Vertretern wird vorgeworfen, die Wirtschaft durch Korruption und Misswirtschaft in den Abwärtssog gerissen zu haben. Vor allem gegen Ex-Präsident Jacob Zuma gibt es massive Korruptionsvorwürfe. Während seiner Regierungszeit (2009-2018) soll insbesonderen die umstrittene Unternehmerfamilie Gupta durch ihre engen Beziehungen zu Zuma von Staatsaufträgen profitiert und massiven Einfluss auf die Besetzung öffentlicher Ämter gehabt haben. Südafrikas frühere Ombudsfrau Thuli Madonsela bezeichnete das System als "state capture", was auf Deutsch ungefähr "Staatsübernahme" bedeutet.

DA-Chef Mmusi Maimane bei einem Wahlkampfauftritt
DA-Chef Mmusi Maimane verspricht einen energischen Kampf gegen KorruptionBild: Reuters/S. Sibeko

Zuma-Nachfolger Cyril Ramaphosa hat einen Neuanfang versprochen. Er präsentiert sich als engagierter Reformer, der die Wirtschaft ankurbeln und der Korruption entschlossen entgegentreten will. "Ramaphosa hat angekündigt, die Korruption bekämpfen zu wollen. Er hat auch sehr schnell agiert und Personen im Regierungsapparat ausgetauscht, die der Korruption beschuldigt wurden", sagt SWP-Expertin Müller. Die Kernfrage sei aber, ob das ausreichen werde, um das Vertrauen in die Partei wieder zu stärken. "Ich habe den Eindruck, es gibt viele Menschen in Südafrika, die sich ein stärkeres Vorgehen gewünscht hätten", so Müller. Ein weiteres Manko: Ramaphosa amtierte von 2014 bis 2018 unter Zuma als Vizepräsident.

Opposition wittert ihre Chance

Südafrikas Oppositionsparteien wollen diese Lage nutzen. "In dem Südafrika, das wir aufbauen wollen, ist kein Platz für Korruption und korrupte Politiker", verkündete Mmusi Maimane von der größten Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) im Wahlkampf. Lange Zeit galt die DA als Partei der wohlhabenden weißen Minderheit. Das hat sich geändert. In den letzten Jahren hat die DA ihre Führungsriege verjüngt. Maimane ist der erste schwarze DA-Vorsitzende. Bei den letzten Wahlen 2014 gelang der Partei mit dieser Taktik ein Achtungserfolg: Mit 89 Sitzen stellt sie seitdem die zweitgrößte Fraktion im Parlament. Der ANC landete mit 249 Sitzen zwar weit vorn, verlor aber seine Zweidrittelmehrheit.

EFF-Chef Julius Malema bei einem Wahlkampfauftritt
Die EFF attackieren im Wahlkampf vor allem den regierenden ANCBild: Getty Images/AFP/P. Magakoe

Neben der DA ragen vor allem die "Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer" (EFF) des früheren ANC-Politikers Julius Malema hervor. Sie wurden 2014 auf Anhieb drittstärkste Kraft. Die Partei bezeichnet sich selbst als radikale linke Bewegung und tritt für die Verstaatlichung von Bergwerksgesellschaften und die Enteignung von Großgrundbesitzern ein. EFF-Vertreter attackieren regelmäßig den regierenden ANC. "Sie sagen: 'Ihr vom ANC habt uns zwar politische und demokratische Freiheiten gebracht, aber ökonomische Freiheiten sind für die meisten schwarzen Südafrikaner bis heute nicht garantiert'", sagt SWP-Expertin Müller.

Der Druck zeigt nach Meinung vieler Beobachter schon Wirkung: Präsident Cyril Ramaphosa kündigte eine Verfassungsänderung an, mit der Landbesitzer notfalls auch ohne Entschädigung enteignet werden könnten. Dadurch soll das Land gerechter verteilt werden, das auch Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid noch mehrheitlich in der Hand von Weißen ist. Mit der geplanten Verfassungsänderung greift der ANC einen Kernforderung der EFF auf, auch wenn Präsident Ramaphosa ein behutsames Vorgehen verspricht.

Ein anderes Wahlkampfthema war die zunehmende Gewalt gegen Arbeitsmigranten aus anderen afrikanischen Ländern wie Mosambik, Simbabwe oder Sambia. "Hier in Südafrika werden Ausländer sehr oft zu Sündenböcken erklärt", sagt der angolanische Journalist António Capalandanda. Er kam vor 10 Jahren als Flüchtling nach Südafrika. Unter Migranten in Südafrika herrsche Angst, die vor allem während des Wahlkampfs zugenommen habe", betont Capalandanda gegenüber der DW. 

António Capalandanda bei einem Interview
Der Journalist António Capalandanda (links) fordert den ANC auf, sich stärker gegen Ausländerfeindlichkeit zu positionierenBild: António Capalandanda

Das Thema Ausländerfeindlichkeit spielte eine große Rolle, sagt auch SWP-Expertin Melanie Müller: "Die ANC-Regierung hat diese Angriffe relativ klar kritisiert. Aber es gibt immer wieder Akteure, die auf dieser xenophoben Welle auch ein bisschen reiten. In Südafrika ist das ein ähnlich populistisches Wahlkampfthema wie leider auch in Europa."

Wie stark wird die Opposition?

Die letzten ANC-Regierungen hätten das Gefälle zwischen arm und reich verschärft, sagt der Journalist Capalandanda. Der ANC sei klar für die Anti-Migrantenstimmung mitverantwortlich, weil die Partei der Ausländerfeindlichkeit nicht ausreichend entgegengetreten sei. "Präsident Ramaphosa will vor allem von seinem eigenen Versagen ablenken. Viel zu spät und viel zu selten hat er sich in diesem Wahlkampf gegen Ausländerfeindlichkeit geäußert", so Capalandanda.

Trotz aller Missstände: SWP-Expertin Müller bezweifelt, dass es der Opposition gelingen wird, den ANC bei den kommenden Wahlen unter die 50 Prozent-Hürde zu drücken. Sie glaubt, dass der ANC seine herausragende Stellung im politischen Gefüge Südafrikas wahrscheinlich behalten werde."Bisher sehen die meisten Umfragen keinen extrem großen Zulauf zu anderen Parteien voraus", so Müller.