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KonflikteAfrika

Russlands Krieg gegen die Ukraine: Afrika als Schlachtfeld?

7. August 2024

Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hat Auswirkungen in Afrika: Mali und Niger haben ihre diplomatische Beziehungen zu Kiew abgebrochen. Auch im Sudan gibt es Verstrickungen beider Kriegsparteien.

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Mali I Russland I Militär Ein Mann in Uniform hisst eine russische Flagge auf dem Dach seines Hauses in Bamako. Rechts daneben weht bereits die Flagge Äthiopiens
Dieser Einwohner der malischen Hauptstadt Bamako bewundert Putin und hat auf seinem Dach die russische und die äthiopische Fahne gehisstBild: Nicolas Remene/Le Pictorium/imago images

Auf den ersten Blick ist die Geschichte klar: Im gelben Sand der malischen Halbwüste posieren Tuareg-Kämpfer mit ihren Helfern für das Siegerfoto. Gleich neben der Flagge der separatistischen Tuareg-Miliz MLNA prangt die gelb-blaue ukrainische Flagge.

Die intendierte Botschaft: Ukrainer hätten mitgewirkt an einem Hinterhalt, in dem viele russische Söldner sowie Soldaten der malischen Armee gestorben sind. Ein Vertreter des ukrainischen Militärgeheimdiensts HUR gab auch noch ein Statement in diese Richtung ab.

Die in Mali herrschende Militärjunta brach daraufhin am 4. August die diplomatischen Beziehungen zur Ukraine ab. Nach Mali hat nun am 7. August auch das benachbarte Niger seine diplomatischen Verbindungen zur Ukraine ausgesetzt. 

Kiew kontert. Das ukrainische Außenministerium forderte Bamako auf, vor einem solchen Schritt doch erst einmal Beweise für eine Verwicklung vorzubringen.

Und auch Experten zweifeln an dieser Version der Geschichte: "Ich glaube nicht, dass die Ukraine da eine Rolle gespielt hat", sagt Ulf Laessing, Büroleiter Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung, die der deutschen konservativen Partei CDU nahesteht.

"Die Ukraine kennt sich zwar ganz gut im Norden Malis aus, weil sie bei der eingestellten Friedensmission MINUSMA viele Hubschrauberpiloten hatten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, welchen Mehrwert die Ukraine Tuareg-Rebellen bieten soll, die sich ja in ihrer Region am besten auskennen", sagt Laessing im Gespräch mit der DW.

Ein weißer Mi-8 UN-Helikopter im Einsatz in Mali. Er kreist in wenigen Metern Höhe über einer Savannenlandschaft
Bis zur russischen Invasion beteiligten sich ukrainische Hubschrauberpiloten an der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA - hier ein UN-Hubschrauber vom Typ Mi-8, den auch die ukrainische Luftwaffe nutztBild: FLORENT VERGNES/AFP

Das von allen Seiten bestätigte Debakel der russischen Söldner, die im Auftrag der Militärjunta eigentlich die Sicherheitslage in dem Sahel-Krisenstaat verbessern sollen, und die unklare Rolle der Ukraine darin wirft ein Schlaglicht auf die Frage: Inwieweit liefern sich Russland und die Ukraine Stellvertreterkriege auf afrikanischem Boden?

Welches Narrativ nützt wem?

Auch der ukrainische Sicherheitsanalyst Iliya Kusa glaubt nicht, dass sein Land an den Ereignissen im nordmalischen Tinzaouatène beteiligt war. Vielmehr beobachte er, dass russische Medien dieser Version der Geschichte mehr Gewicht verliehen, sagt der Experte vom Kiewer Zukunftsinstitut im Gespräch mit der DW.

"Sie griffen es auf und sprachen von ukrainischer Verwicklung, weil das eine willkommene Darstellung für Russland ist. Sie können afrikanische Länder damit überzeugen, dass die Ukraine böse sei und kein konstruktiver Partner." Mit diesem Argument könnte Russland auch seine Militärpräsenz im Sahel ausbauen, glaubt Kusa.

Irina Filatova, russische Historikerin an der südafrikanischen Universität Kapstadt und emeritierte Professorin der Universität KwaZulu-Natal, erlaubt sich angesichts der Informationslage kein Urteil. Aus ihrer Sicht hätte die Ukraine aber durchaus ein Interesse daran, als Beteiligte wahrgenommen zu werden: "Sie will afrikanischen Ländern vor Augen führen, dass Russland nicht allmächtig ist und auch verlieren kann."

Für Ulf Laessing in Bamako überwiegt jedoch der Imageschaden: "Die Ukraine tut sich keinen Gefallen, sich jetzt mit Tuareg-Rebellen zu verbünden, die immer wieder mit Entführungen, mit Schmuggel und mit Verbindungen zu Dschihadisten in Verbindung gebracht werden."

Denn auch in der malischen Hauptstadt sind die Tuareg höchst unbeliebt - historisch, weil sie Menschen aus dem Süden des Landes als Sklaven verschleppten, und aktuell, weil sie mit ihrem Vormarsch auf Timbuktu 2012 die bis heute andauernde Sicherheitskrise erst ausgelöst hatten.

Moskau auf beiden Seiten im Sudan

Gut 3000 Kilometer weiter östlich lodert ein weiterer blutiger Konflikt, der häufig als Stellvertreterkrieg wahrgenommen wird: Im Sudan kämpfen seit April 2023 die reguläre Armee sowie die Spezialeinheit RSF um die Vormacht.

Die Ukraine hält Armeeführer General Abdel Fattah al-Burhan die Treue, der sie zuvor logistisch und diplomatisch bei der Abwehr der russischen Invasion unterstützt hatte. Russland hingegen stand zunächst auf der Seite der RSF, unter deren Schutz die Söldnergruppe Wagner und andere russische Player lukrative Goldminen betrieben.

Doch unterstütze Russland nie konsequent eine Seite in einem Konflikt, sondern immer jene, die seinen Interessen am besten diene, meint Filatova: "Russland unterstützt auch die Zentralregierung, weil sie die Küste kontrolliert und Russland dort eine Militärbasis errichten will."

Port Sudan Ein russisches Kriegsschiff, grau, liegt an der Kaimauer
Eine Korvette der russischen Marine in Port Sudan - der Hafen gilt als strategisch wichtig im Roten MeerBild: IBRAHIM ISHAQ/AFP

Dass im Sudan fast 16 Monate nach Kriegsausbruch immer noch mit unverminderter Härte gekämpft wird, hat auch mit den Waffenlieferungen anderer Regionalmächte wie den Vereinten Arabischen Emiraten oder Ägypten zu tun.

Der Kiewer Analyst Iliya Kusa sieht im Sudan keine oberste Priorität für die Ukraine: "Sicherlich hat unser Land ein Interesse überall dort entwickelt, wo auch Russland präsent ist. Nach der Logik: Wo Russland ist, könnte es interessant für uns sein."

Gegner auch fernab der ukrainischen Front

Vielleicht liegt diese Logik auch einem Vorfall zugrunde, der auf einem im Februar von der Kyiv Post veröffentlichten Video zu sehen sein soll: Der kurze Clip zeigt drei Männer, die mit verbundenen Augen und gefesselten Händen in einem mutmaßlichen Verhör ukrainischer Spezialkräfte auf dem Boden knien.

Einer der Gefangenen gibt darin an, der Söldnertruppe Wagner anzugehören - und im Sudan zu sein mit dem Befehl, die Regierung zu stürzen. Ukrainer und Russen als Kriegsgegner - aber nicht an der Front im angegriffenen Land, sondern im fernen Sudan?

Drei Männer mit verbundenen Augen knien am Boden, zwei Schwarze und ein weißer Mann. Untertitel: Your unit? - PMC Wagner
Screenshot aus dem Video der "Kyiv Post"Bild: Kyiv Post/Youtube

"Die Präsenz beider Seiten ist so ungleich, dass man nur schwer von einem Stellvertreterkrieg sprechen kann", analysiert Irina Filatova. "Offensichtlich ist, dass die ukrainischen Spezialkräfte und der ukrainische Militärgeheimdienst Russland bekämpfen, wo immer möglich. Damit ist für die Ukraine natürlich auch wichtig, Russen in Afrika zu bekämpfen - aber ohne das Ziel einer geopolitischen Hegemonie, wie Russland es anstrebt."

Der Gründer und Aufsichtsratschef des südafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien, Jakkie Cilliers, hingegen sieht durchaus Vorzeichen für Stellvertreterkriege in Afrika, jedoch zwischen Russland und dem Westen insgesamt: "Ich habe den Eindruck, dass sie sich in Afrika gegenüberstehen."

Er wäre überrascht, schreibt Cilliers der DW, wenn Länder wie Großbritannien, Frankreich und die USA dort nicht mit Ratschlägen, Geheimdienstinformationen und womöglich sogar Zieldaten für Militäraktionen aktiv wären. "Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs."