Russland und EU üben Schulterschluss
10. Mai 2005Beim 15. EU-Russland-Gipfel haben sich beide Seiten am Dienstag in Moskau auf mehrere Abkommen zur Vertiefung der Zusammenarbeit geeinigt. Das zwei Jahre lang ausgehandelte Maßnahmenpaket in den Bereichen Äußere und Innere Sicherheit, Wirtschaft sowie Wissenschaft und Kultur sei ein Kompromiss zum beiderseitigen Vorteil, betonte der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag (10.5.2005) nach Beratungen mit der EU-Führung im Kreml.
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Der russische Präsident äußerte sich zuversichtlich über den Aufbau eines "großen Europas". Die Aufnahme dreier ehemaliger baltischer Sowjetrepubliken in die EU hatte die Beziehungen zwischen Moskau und der Europäischen Union belastet. Der amtierende EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker wies russische Befürchtungen zurück, dass Europa seine Einflusszone nach Osten ausweiten will. Der Moskauer Gipfel war der erste seit einem Treffen im Herbst in den Niederlanden, bei dem Putin der EU vorwarf, die Oppositionsbewegung in der Ukraine zu unterstützen.
Wirtschaft im Mittelpunkt
Im Zentrum des Partnerschaftsabkommens steht der wirtschaftliche Austausch zwischen Russland und der EU. Dabei ist Europa vor allem an Öl- und Gaslieferungen aus Russland interessiert, während der Kreml die heimische Wirtschaft mit Investitionen europäischer Kapitalgeber voranbringen will. Mit einem bilateralen Volumen von 96,55 Milliarden Euro ist Russland der fünftgrößte Handelspartner der EU. Russland deckt bisher schon mehr als 30 Prozent des EU-Bedarfs an Rohöl und Erdgas ab. Dieser Anteil könnte weiter steigen, wenn die britischen Reserven in der Nordsee zur Neige gehen.
Von der Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums versprechen sich beide Seiten Vereinfachungen für Handel und Investitionen sowie den Ausbau der Infrastruktur für Verkehr, Telekommunikation und Energie. Bislang wird der Warenaustausch noch durch diverse Handels- und Investitionshemmnisse eingeschränkt.
Thema Einwanderung bleibt strittig
In zwei strittigen Punkten, der Frage der Visa-Erleichterung und der Rückführung illegaler Einwanderer, erreichten die Verhandlungspartner keine Einigung. Die diesbezüglichen Gespräche seien "beinahe, aber noch nicht ganz" abgeschlossen, sagte ein EU-Vertreter. Langfristig soll zwischen der EU und Russland Visafreiheit gelten, die Präsident Putin bereits in wenigen Jahren erreichen will.
Der Kreml lehnte es jedoch ab, sich gegenüber der EU zu verpflichten, illegal über Russland eingereiste Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Damit könnten die Rechte der Betroffenen verletzt werden, erklärte Putin. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso deutete an, dass die Union in dieser Frage nicht nachgeben werde. Die EU werde die Visa-Erleichterungen für russische Bürger nur dann lockern, wenn Russland alle Personen zurücknehme, die über sein Territorium illegal in die EU gelangten.
Keine Entschuldigung an die baltischen Staaten
In Bereich Äußeres wollen Moskau und Brüssel gemeinsam bei der Lösung von Regionalkonflikten in ehemaligen Sowjetrepubliken helfen. Ausdrücklich genannt werden die abtrünnigen Gebiete Dnjestr-Republik (Moldawien), Abchasien und Südossetien (beide Georgien) und Berg-Karabach (Aserbaidschan). Im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik hilft die EU dort bereits heute humanitär und beim Aufbau der Wirtschaft. Dies soll zukünftig auch auf das innerrussische Konfliktgebiet Tschetschenien ausgeweitet werden.
Die Unterzeichnung eines Grenzabkommens zwischen Russland und Lettland, eines der drei neuen baltischen EU-Mitglieder, blieb zunächst blockiert. Die Sowjetunion hatte sich Estland, Lettland und Litauen aufgrund geheimer Vereinbarungen zwischen Stalin und Hitler 1940 einverleibt. Am Rande des Gipfeltreffens mit der EU in Moskau sagte Putin, eine Entschuldigung bei den Balten für die Sowjetherrschaft ausgeschlossen. "Diese Frage ist abgeschlossen. Wir wollen darüber nicht mehr reden". Der sowjetische Kongress der Volksdeputierten habe bereits 1989 den Hitler-Stalin-Pakt für nichtig erklärt, betonte Putin. (stl)