Rumänische Politiker im Visier der Justiz
7. Oktober 2014Das Konterfei des rumänischen Premierministers Victor Ponta ziert seit dieser Woche viele rumänische Straßenkreuzungen, öffentliche Plätze und Wohnblocks. Ponta möchte der nächste Präsident Rumäniens werden. Das südosteuropäische Land, eines der ärmsten und korruptionsanfälligsten in der EU, steckt mitten im Wahlkampf. Pontas Intimfeind, der rechtskonservative Staatschef Traian Băsescu darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Doch das Image des linksnationalen Ministerpräsidenten und Chefs der Sozialdemokraten ist durch einen neuen Skandal beschädigt.
Umfragen zufolge liegt Ponta, der sich trotz bestätigter Plagiatsvorwürfe für das höchste Amt im Staat bewirbt, im Wahlkampf vorne und könnte in der Stichwahl gegen den liberalen Rumäniendeutschen Klaus Johannis antreten. Doch jetzt wird er bezichtigt, eine unlautere Rolle in einer riesigen Korruptionsaffäre gespielt zu haben. Mehrere ehemalige Minister verschiedener Parteien werden von der obersten rumänischen Antikorruptionsbehörde DNA verdächtigt, zwischen 2000 und 2005 von IT-Konzernen wie Microsoft und Fujitsu-Siemens Computers bestochen worden zu sein. Entsprechende ursprünglich vom amerikanischen FBI angestoßene Ermittlungen laufen oder sollen demnächst eröffnet werden, falls das Parlament in den nächsten Tagen der Aufhebung der Immunität einiger Senatoren zustimmen sollte. Für fünf der neun mutmaßlich involvierten Minister erhielt die Antikorruptionsbehörde eine Bewilligung des Präsidenten, um Ermittlungen durchführen zu können.
Zwar wies Ponta alle Vorwürfe zurück. Er hätte nichts mit der Vergabe öffentlicher Aufträge zu tun gehabt. Die oberste Antikorruptionsbehörde DNA hat ihrerseits betont, dass der Premierminister zurzeit nicht offiziell unter Anklage steht oder verdächtigt wird. Das könnte sich vielleicht ändern. Denn in der Zeit nach der Jahrtausendwende bekleidete Ponta das Amt des Leiters der Kontrollbehörde der Regierung. Dieses Amt ist, anders als in Deutschland die Rechnungsprüfungsämter, nicht unabhängig, sondern dem Regierungschef unterstellt. Zwischen 2000 und 2004 war dies der damalige Premierminister Adrian Năstase. Ponta gilt als politischer Ziehsohn des mehrfach wegen illegaler Parteienfinanzierung, Erpressung und Bestechung vorbestraften Năstase. Der rumänische Sozialdemokrat ist der erste osteuropäische Ex-Regierungschef, der überhaupt wegen Korruption verurteilt worden ist und eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen musste.
Schmiergelder rund um die Vergabe von Microsoft-Lizenzen
Mindestens eine der rumänischen Staatsanwaltschaft vorliegenden Zeugenaussagen bezieht Ponta und Năstase in die Affäre um Bestechung und illegale Einflussnahme rund um die Vergabe von Microsoft-Lizenzen mit ein. Im Mittelpunkt des Skandals sind Schmiergelder im Wert von rund 50 Millionen Euro. Sie sollen von rumänischen Niederlassungen ausländischer Firmen über Mittelsmänner gezahlt und in die Taschen von Beamten, Politikern und Amtsträgern geflossen sein, um tausende Bildungseinrichtungen, darunter Schulen, mit Computern auszustatten - und zwar zu stark überhöhten Preisen und ohne öffentliche Ausschreibungen.
Die betroffenen Konzerne und Auftraggeber halten sich mit Stellungnahmen zurück. Microsoft und mehrere österreichische Manager und Firmen, darunter die Fujitsu-Tochter Fujitsu Siemens, sowie deren rumänische, von Claudiu Florică geführte und 2009 aufgelöste Niederlassung, sollen laut Medienberichten involviert sein. Microsoft versicherte, man wolle mit der rumänischen Antikorruptionsbehörde kooperieren.
Es bleibt abzuwarten, ob sich der Verdacht bestätigt, Claudiu Florică hätte beim damaligen Leiter der Kontrollbehörde, Ponta, erfolgreich interveniert, damit dieser Druck ausübt, so dass der lukrative Auftrag Fujitsu Siemens zugeschanzt wurde. Fakt ist, dass die Zentrale der damals von Ponta geführten Jugendorganisation der Sozialdemokratischen Partei kurz danach kostenlos mit Computern von Fujitsu Siemens bestückt worden ist.
Warnung vor einseitigen Schuldzuweisungen
Ins Visier der Ermittler sind auch zwei nach 2004 an die Macht gelangte Politiker des konservativen Lagers geraten, darunter der ehemalige Bildungsminister Daniel Funeriu. Zwar warnen Experten wie der unabhängige rumänische Journalist Dan Cristian Turturică vor einseitigen Schuldzuweisungen. Es handele sich dabei "um pures Dynamit, doch nicht für einen einzigen Kandidaten oder mehrere im Besonderen, sondern für die gesamte politische Klasse, die 15 Jahre lang entweder direkt oder indirekt von Schmiergeldern von hunderten von Millionen Euro für alle vom Staat vergebenen IT-Aufträge profitiert hat", erklärte Turturică.
Doch die politische Hauptlast dieser Korruptionsaffäre internationalen Ausmaßes dürfte trotzdem der Wahlkampf des jetzigen Regierungschefs tragen. Seine wichtigesten Konkurrenten für das Amt des Präsidenten, insbesondere die im Antikorruptionskampf profilierte ehemalige Justizministerin Monica Macovei und der liberale Klaus Johannis, können sich dagegen die Hände reiben.
Kritik aus den USA
Ihnen kommt auch eine nach Bekanntwerden des Skandals veröffentlichte Erklärung der amerikanischen Vize-Außenministerin zugute. Angesichts der russischen Bedrohung hat Victoria Nuland vor einigen Tagen den Mittel- und Osteuropäern zwar die Bereitschaft der USA zur Hilfe im von Artikel 5 des NATO-Vertrags geregelten Bündnisfall bekräftigt, diesen Beistand aber gleichzeitig für durch Korruption und antidemokratische Tendenzen ausgehöhlte Länder in Frage gestellt. Im Rahmen einer Veranstaltung des Center for European Policy Analysis, ein "Think Tank" in Washington, der postkommunistische Entwicklungen untersucht, stellte Nuland eine direkte Verbindung zwischen Korruption, einem antidemokratischen Rollback und hohen mittel-südosteuropäischen Amtsträgern her. Ähnlich wie zuvor auch Vizepräsident Joe Biden beklagte Nuland "die innere Bedrohung" der Sicherheit dieser Länder, "deren Anführer die Werte vergessen haben, auf die die NATO und die EU aufgebaut worden sind".
Laut dem Journalisten und Politik-Experten Cristian Câmpeanu von der Tageszeitung "România Libera" bezog sie sich dabei offensichtlich, ohne sie direkt zu nennen, "auf die Regierungschefs Ungarns, Bulgariens und Rumäniens". Ihnen wirft die stellvertretende Chefin des State Departments vor, "den Nationalismus und den Unrechtsstaat zu fördern, die Presse zu gängeln, korrupte Amtsträger vor der Justiz zu schützen, das Parlament, wenn nötig, zu umgehen und die Zivilgesellschaft zu dämonisieren". Für Ponta, der auch auf Stimmen aus dem konservativen Lager angewiesen ist, um Präsident zu werden, ist dies eine vernichtende Einschätzung. Doch bis dato perlten alle Vorwürfe an ihm ab. Nicht wenige rumänische Wähler zeigten sich bisher eher geneigt, Korruptionsvorwürfe zu verzeihen.