Reise in die dunkle Vergangenheit
16. August 2004"Ich vernichte die Aufständischen mit Strömen von Blut!" Mit diesen Worten hatte der Oberbefehlshaber der deutschen Truppen in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika, Lothar von Trotha, das Vernichtungsurteil über das stolze Viehzüchtervolk der Herero gefällt. Am 11. August 1904 begannen kaiserliche Schutztruppen mit der Schlacht am Waterberg im heutigen Namibia die ansässigen Volksstämme niederzumetzeln. Die Afrikaner hatten Widerstand gegen Landraub und Willkürherrschaft durch die verhassten Besatzer geleistet.
Der erste Völkermord durch Deutsche
Die folgenden vier Kriegsjahre werten Historiker heute als den ersten von Deutschen begangenen Völkermord. Nach Schätzungen der Gesellschaft für bedrohte Völker kamen rund 65.000 Herero und 10.000 Angehörige der Nama ums Leben - beide ethnische Gruppen seien damit fast ausgelöscht worden. Überlebende wurden in Konzentrationslager gesperrt oder gezwungen, am Bau von Häfen und der Eisenbahn mitzuarbeiten.
Anlässlich des 100. Jahrestages der Schlacht am Waterberg nimmt am Mittwoch (11.8.2004) mit Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erstmals ein deutsches Regierungsmitglied an den Gedenkveranstaltungen in Namibia teil.
Die "Meister des Rassismus"
Ihrem Besuch geht jedoch eine bereits seit Monaten andauernde Diskussion um die Haltung der Bundesrepublik zu den deutschen Kolonialverbrechen voraus: Erst in der vergangenen Woche hatte Arnold Tjihuiko als Vertreter des Herero-Volkes die Deutschen als "Meister des Rassismus" bezeichnet. Zwar hatte der Bundestag am 17. Juni eine Resolution verabschiedet, die die "besondere historische und moralische Verantwortung Deutschlands" für das Geschehen hervorhob, Tjihuiko kritisierte jedoch das Ausbleiben von Begriffen wie "Schuld" und "Völkermord", eine Tatsache, die er als eine "Verspottung der Politik der Aussöhnung" wertete. Seine Forderung: "Wir wollen, dass die Deutschen sagen: 'Es tut uns leid'."
Keine Entschuldigung
Damit sei jedoch nach Ansicht von Stefan Fischer, Chefredakteur der "Allgemeinen Zeitung", der einzigen deutschsprachigen Tageszeitung in Namibia, nicht zu rechnen. Erst im Oktober 2003 habe Außenminister Joschka Fischer auf seiner Reise nach Namibia "tiefes Bedauern" und "tiefen Schmerz" betont, sagt der Journalist. "Entschädigungsrelevante Äußerungen hat er aber abgelehnt. Ich glaube nicht, dass Ministerin Wieczorek-Zeul davon abweichen wird."
Aber genau darum geht es, denn schon im Herbst 2001 hatten mehr als 200 Herero - unter Verweis auf die deutschen Entschädigungszahlungen an jüdische Zwangsarbeiter -Klagen sowohl gegen die Bundesrepublik, als auch gegen deutsche Unternehmen eingereicht. Die Regierung hatte die Forderungen immer abgewiesen, weil seit der Unabhängigkeit Namibias von Südafrika vor 14 Jahren bereits über 500 Millionen Euro an Entwicklungshilfegeldern in das Land geflossen seien: Pro Kopf ist das nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin die höchste Finanzhilfe in ganz Afrika.
"Gleichmäßige Hilfe ist sinnvoller"
Auch Stefan Fischer hält wenig von Entschädigungs-zahlungen: "Eine generelle Unterstützung, ohne, dass eine Bevölkerungsgruppe bevorteilt wird, ist sinnvoller, gerechter und schürt keine sozialen oder ethnischen Konflikte." Außerdem lägen die Verbrechen der Kolonialmacht schon lange zurück, es gebe wenig gesicherte Kenntnisse, vor allem über die Opferzahlen, so dass die Entschädigungen schwer quantifizierbar seien.
Von einer deutschfeindlichen Stimmung in Namibia könne jedoch laut Fischer keine Rede sein: "Längst nicht jeder Herero steht hinter der Klage, übrigens auch nicht die namibische Regierung. Und Äußerungen wie über die 'deutschen Rassisten' sind Einzelerscheinungen, die nicht repräsentativ für das namibische Volk sind."