Das Ende der Euphorie
23. Oktober 2002Natürlich ist Namibias Presse frei. Das betont Präsident Sam Nujoma gerne, wenn er ins Ausland reist. Die Freiheit hat allerdings ihre Grenzen. Hartnäckige Reporter und andere Kritiker müssen sich als "unpatriotisch" und "unverantwortlich" beschimpfen lassen. Der Ton ist schärfer geworden.
Recherche unerwünscht
Es ist der 12. Oktober 2001. Max Hamata, Reporter der Tageszeitung "Namibian" macht sich auf den Weg zum katholischen Krankenhaus in der namibischen Hauptstadt Windhuk. Um seinen Hals hängt eine Digitalkamera. Er möchte Geoffrey Mwilima besuchen, ein ehemaliges Mitglied des namibischen Parlaments. Im Jahr 2000 wurde er von der Polizei geschlagen und gefoltert. Verdacht: Landesverrat. Hamata hat einen Tip bekommen, dass Mwilima mit schweren Verletzungen im Krankenhaus liegt, dass er wieder gefoltert wurde.
Doch Max Hamata wird überrascht: "Kaum war ich bei Mwilimas Krankenzimmer angekommen, bemerkte ich, dass er bewacht wurde," berichtet Hamata im Gespräch mit DW-World. Ein Uniformierter sei auf ihn zu, habe ihn beim Nacken gepackt und hinausgeworfen. "Als ich wieder zu mir gekommen war, saß ich im Gefängnis." Nach ein paar Stunden schaffte es ein Anwalt, Hamata wieder frei zu bekommen. Doch die Angst bleibt. "Wir leben in der Unsicherheit. Jederzeit kann uns etwas passieren." Geoffrey Mwilimas Schicksal bleibt seitdem ein Mysterium.
Enttäuschte Mitstreiter
"Namibia ist meine Heimat," das sagt Henning Melber noch immer. Doch seine Heimatliebe ist bitter. Mit 17 Jahren war der gebürtige Deutsche zusammen mit den Eltern nach Namibia ausgewandert. Seit 1974 ist er in der SWAPO organisiert, damals eine Befreiungsbewegung, seit 1990 Regierungspartei. An der Spitze der SWAPO wie der namibischen Regierung ist seitdem ein Mann: Präsident Sam Nujoma. "Die Arroganz der Macht" habe ihn verdorben wie andere afrikanische Potentaten, sagt der Politologe Melber. Er hat einen namibischen Think Tank geleitet, der die Regierungspolitik analysieren sollte. "Aber ich habe gemerkt, dass meine Kritik nicht mehr gefragt ist. Deswegen ist er vor zwei Jahren frustriert ausgewandert. Er leitet seitdem ein afrikanisches Forschungsinstitut im schwedischen Uppsala.
Presse als Sprachrohr der Regierung
Sam Nujoma hat seine eigenen Vorstellungen von der Rolle der Journalisten. Die afrikanische Presse sei "unverantwortlich", ließ er einen Mitarbeiter verlesen, ausgerechnet an dem Tag, an dem zehn Jahre Pressefreiheit in Namibia gefeiert werden sollten. Anstatt sensationslüstern Lügen und Gerüchte zu verbreiten, wäre die Presse besser beraten, Beschlüsse der Regierung ans Volk zu übermitteln, ließ Nujoma mitteilen. Leute wie Max Hamata stören da nur. Seine Chefredakteurin beim "Namibian", Gwen Lister, wertete Nujomas Ausfall als "schlechtes Zeichen", wenn die Regierung Journalisten diskreditiere, die Korruption aufdecken wollen. Seitdem lässt der Präsident keine Anzeigen mehr im "Namibian" drucken, in den Ministerien von Windhuk darf das kritische Blatt nicht mehr gelesen werden. Die Zeitung tangiert das nicht, sie ist dadurch nur bekannter geworden. Aber der Ruf Namibias hat Schaden genommen.
Präsidentenshow statt Nachrichten
Henning Melber befürchtet nichts weniger als den "Abgesang auf das Entwicklungsmodell Namibia". Präsident Nujoma spielt mit dem Gedanken, sich auch noch eine vierte Amtszeit zu genehmigen, obwohl die namibische Verfassung nur zwei Perioden vorsieht. Schon sein drittes Mandat konnte er nur mithilfe der überwältigenden SWAPO-Mehrheit im Parlament durchsetzen.
Mittlerweile hat sich der Präsident auch noch selbst zum Informationsminister ernannt. Damit hat er die direkte Kontrolle über den Sender NBC. Der Staatsfunk soll jetzt weniger ausländische Programme zeigen, die die Jugend schädigen, dafür mehr die Schönheit der Heimat bejubeln. Die Nachrichten der NBC geraten derweil zur Nujoma – Show. "Der Präsident weiht ein Geschäft ein, der Präsident hält eine Rede, er geht auf Reisen, das diplomatische Korps nimmt ihn wieder in Empfang. Das alles wird in ziemlicher Länge gebracht," beobachtet Eberhard Hofmann. Er leitet die deutschsprachige "Allgemeine Zeitung" in Windhuk.
Henning Melber fühlt sich an die Zeit vor der Unabhängigkeit erinnert, als noch das südafrikanische Apartheid-Regime die Presse drangsalierte. So weit will Eberhard Hofmann nicht gehen. "Aber die Euphorie der ersten sechs Jahre nach 1990 ist definitiv vorbei."