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Rebellen und NATO nehmen Sirte ins Visier

29. August 2011

In Libyen kämpfen die Rebellen weiter gegen Soldaten des langjährigen Machthabers Gaddafis. Der Fokus richtet sich inzwischen auf Sirte. Dort sollen sich die letzten Anhänger Gaddafis verschanzt haben.

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Rebellen zielen bei Straßenkämpfen in Tripolis mit ihren Gewehren (Foto: pa/dpa)
Der Machtkampf in Libyen geht weiter, noch ist Gaddafis Regime nicht endgültig gestürztBild: picture alliance / dpa

Die Rebellen kämpfen sich weiter in Richtung Sirte vor, der Heimat des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi. Die Vorbereitungen für eine Erstürmung der Küstenstadt kommen nach Informationen von Augenzeugen aber nur langsam voran. Für die Operation würden mehr erfahrene Kämpfer gebraucht, berichtete eine Korrespondentin des Nachrichtensenders Al-Dschasira am Montag (29.08.2011).

Auch die NATO richtet ihr Augenmerk verstärkt auf Sirte. Am Sonntag seien dort mehrere militärische Ziele bombadiert worden, darunter auch zwei Luftabwehrstellungen und vier Radarstationen, teilte die NATO am Montag mit. Die Küstenstadt gilt als Gaddafis letzte große Bastion, in die der untergetauchte Machthaber geflüchtet sein könnte. Viele seiner Kämpfer haben sich hierhin zurückgezogen. Der Übergangsrat der Rebellen verhandelt mit Stammesführern in Sirte auch über eine friedliche Übergabe der Stadt.

Während der Verbleib von Gaddafi weiter Rätsel aufgibt, flüchteten mehrere Familienmitglieder über die Grenze nach Algerien. Nach Angaben des algerischen Außenministeriums reisten Gaddafis Frau Safija, die Söhne Hannibal und Mohammed sowie die Tochter Aischa am Montag in das Nachbarland ein. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die libysche Übergangsregierung seien davon unterrichtet worden, hieß es.

Desolate Versorgungslage

Einwohner von Tripolis kaufen Wasser in großen Behältern (Foto: dapd/AP)
Wasser, Strom und auch Lebensmittel sind Mangelware in TripolisBild: dapd

Libyens Hauptstadt Tripolis steht inzwischen nahezu vollständig unter Kontrolle der Aufständischen. Allerdings soll es noch immer einzelne Schießereien mit Gaddafi-treuen Heckenschützen geben. Die Rebellen sind daher nach eigenen Angaben weiter damit beschäftigt, die eingenommene Hauptstadt zu befrieden.

Probleme bereitet auch die kritische Versorgungslage. Viele Regale in den Lebensmittelgeschäften sind leer. Etwa 60 Prozent der Bewohner sind nach Angaben des Übergangsrats nur unzureichend mit Wasser versorgt. Auch Strom gibt es nur zeitweise. Der Nationale Übergangsrat hatte am Sonntag eine humanitäre Krise in Tripolis eingeräumt und internationale Hilfsorganisationen um Unterstützung gebeten. Angesichts der prekären Lage evakuierte die Internationale Organisation für Migration (IOM) 850 Gastarbeiter aus Tripolis.

Frankreich schickte eine Delegation nach Tripolis, die sich ein Bild von der Lage vor Ort machen soll. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums sagte, es dürfe keine Zeit verloren werden, um Libyen beim Wiederaufbau zu unterstützen. Auch die geplünderte französische Botschaft solle rasch wieder hergerichtet werden. Frankreich gilt als wichtiger Unterstützer der Rebellen. Die Regierung in Paris hat bereits mehrere diplomatische Treffen zu deren Unterstützung arrangiert.

Merkel nimmt an Libyen-Konferenz in Paris teil

Rebellen mit einem Panzer auf einer Straße nach Sirte (Foto: dapd/AP)
Die libyschen Rebellen hoffen auf weitere Unterstützung durch die NATOBild: dapd

Am Donnerstag soll in Paris eine internationale Libyen-Konferenz tagen. Im Mittelpunkt des Treffens stehen der Wiederaufbau und die Pläne des Übergangsrates in Libyen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will an der Konferenz der Staats- und Regierungschefs teilnehmen.

Die Vertreter des libyschen Übergangsrates sollen in Frankreich ihre Pläne für die Zukunft und den Bedarf an Hilfen aus dem Ausland darlegen, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Allen sei klar, dass man schnell handeln müsse, damit die Libyer den Unterschied zwischen dem alten und neuen Regime spürten, hieß es mit Blick auf die teils gravierenden Versorgungsengpässe. Das Pariser Treffen sei aber keine Geberkonferenz. Es werde dort nicht um konkrete finanzielle Zusagen gehen.

Ein Sprecher des Außenamts verwies in Berlin darauf, dass die Bundesregierung dem Übergangsrat bereits 100 Millionen Euro für humanitäre und zivile Zwecke als Darlehen zur Verfügung gestellt hat. Außerdem habe Deutschland, wie auch einige andere Länder, beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beantragt, "einen gewichtigen Teil" der in Deutschland eingefrorenen Gelder des Gaddafi-Regimes wieder freizugeben. Aufgrund der Sanktionen gegen Libyen sind allein in Deutschland mehr als sieben Milliarden Euro eingefroren worden, hieß es.

Rebellen drängen auf weiteres NATO-Engagement

Der Nationale Übergangsrat forderte die NATO unterdessen auf, den Druck auf das Gaddafi-Regime aufrecht zu erhalten. Die Rebellen seien weiter auf die logistische und militärische Unterstützung der NATO angewiesen. Wichtig sei auch, dass das westliche Militärbündnis Arbeiten zur Instandsetzung der Strom- und Wasserversorgung schütze.

Der Ratsvorsitzende Mustafa Abdel Dschalil sagte bei einem Treffen mit NATO-Vertretern in Doha in Katar, Gaddafi sei immer noch in der Lage, "Schreckliches" anzurichten.

50.000 Menschen sind verschollen

Zwei Frauen warten voll Sorge auf Informationen über vermisste Angehörige in Tripolis (Foto: dpa)
In Tripolis sind viele Familien in Sorge um vermisste AngehörigeBild: picture alliance / m67/ZUMAPRESS.com

Unterdessen kommen immer weitere Gräueltaten im Rahmen der Kämpfe um Tripolis ans Licht. So haben Anhänger Gaddafis nach Informationen von Menschenrechtlern beim Vorrücken der Rebellen auf die Hauptstadt mindestens 17 Gefangene getötet. Zudem seien viele Zivilpersonen in der vergangenen Woche willkürlich umgebracht worden, erklärte die in New York ansässige Organisation "Human Rights Watch" am Sonntag.

Die Rebellen haben seit ihrem Einmarsch in Tripolis in der vergangenen Woche nach eigenen Angaben mehr als 10.000 Häftlinge aus den Gefängnissen befreit. Etwa 50.000 Menschen seien aber noch verschollen, sagte Rebellensprecher Ahmed Bani.

Autorin: Ursula Kissel (dpa, rtr, dapd, afp)
Redaktion: Martin Schrader