Rassistischer Übergriff sorgt für politischen Streit
24. April 2006Das Opfer des rassistischen Angriffs in Potsdam schwebt noch immer in Lebensgefahr. Der 37-jährige Deutsche äthiopischer Abstammung befinde sich weiter im künstlichen Koma auf der Intensivstation, könne aber mit Hilfe einer Beatmungsmaschine mittlerweile teilweise eigene Atemzüge machen, teilte eine Sprecherin des Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikums am Montag (24.4.) mit.
Nehm contra Schönbohm
Der in Äthiopien geborene und seit 19 Jahren in Deutschland lebende Familienvater war am Ostersonntag (16.4.) vermutlich wegen seiner dunklen Hautfarbe von zwei Männern brutal zusammengeschlagen worden. Zwei Tatverdächtige sitzen seit Freitag (21.4.) in Brandenburger Gefängnissen in Untersuchungshaft, nachdem ein Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Haftbefehl wegen des Verdachts des versuchten Mordes erlassen hatte. Sowohl DNA-Spuren vom Tatort als auch die Aufzeichnung einer Handy-Mailbox weisen nach Angaben von Generalbundesanwalt Kai Nehm auf die beiden Männer hin.
Inzwischen ist ein Streit ausgebrochen, ob es sich bei dem Überfall tatsächlich um eine Tat mit rassistischem Hintergrund gehandelt hat. Der Generalbundesanwalt geht weiter von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm hält dies nicht für erweisen. "Ob es einen rechtsradikalen Hintergrund gibt, müssen wir erst noch klären", sagte er. "Wir stehen erst am Anfang der Untersuchungen. Und ich habe weiterhin die Auffassung vertreten, zu der ich nach wie vor stehe: erst den Sachverhalt klären und dann bewerten. Und viele haben eine Bewertung vorgenommen, ohne den Sachverhalt zu kennen."
Generalbundesanwalt Nehm hatte die Ermittlungen mit der Begründung an sich gezogen, die Tat sei wegen ihres rechtsextremistischen Hintergrundes geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Brandenburgs Innenminister kritisiert, die Landesbehörden könnten den Fall genauso gut aufklären, Nehm habe den Fall unnötig zum Politikum gemacht und Brandenburg "stigmatisiert".
CDU contra Grüne und SPD
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, warnte vor voreiligen Schlüssen. "Es ist auch zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs unzweideutig klar, dass diese Tat einen rassistischen Hintergrund hatte", sagte er. "Möglicherweise handelte es sich auch um einen Streit zwischen Betrunkenen, der dann eskaliert ist."
Dagegen begrüßten Politiker von Grünen und SPD die Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt. SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen nannte es ein richtiges politisches Signal gegen Übergriffe auf Ausländer, die leider zum Alltag in Deutschland gehörten. Der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, wandte sich gegen die Darstellung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, Schuld an den wiederholten Angriffen auf Ausländer in Ostdeutschland sei die DDR-Vergangenheit. "Wenn seine These richtig wäre", sagte Gysi, "dann müssten ja die 50- und 60-Jährigen, die lange Zeit in der DDR aufgewachsen sind, besonders rechtsextrem sein. Aber da finden sie kaum welche. Also man kann sich kritisch zur DDR äußern. Aber ihr den Rechtsextremismus von heute zu unterstellen, das ist einfach albern."
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hatte auf Studien verwiesen, wonach eine Häufung rechter Straftaten vor allem in Regionen mit hoher Jugendarbeitslosigkeit und unterdurchschnittlicher Wirtschaftskraft zu beobachten sei.