Bundesliga-Kommentar
20. November 2011Der Fußball in Deutschland ist ebenso geschockt wie ratlos nach dem Selbstmordversuch von Babak Rafati. Der Schiedsrichter aus Hannover ist zum Glück außer Lebensgefahr. Die Umstände, die ihn in seine Verzweiflungstat getrieben haben, sind bislang nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Und doch setzt jetzt derselbe Mechanismus ein, wie nach dem Suizid von Robert Enke vor zwei Jahren oder wie nach den Burnout-Bekenntnissen von Trainer Rangnick und einiger Fußballprofis: DFB-Präsident Zwanziger kritisiert die Drucksituationen für Schiedsrichter, Liga-Präsident Rauball will "mehr Fachleute mit ins Boot holen."
Und der Fußball musste in den letzten Jahren nicht nur mit solchen Schicksalsschlägen und Verzweiflungstaten fertig werden. Da schwebt immer noch das Verfahren wegen sexueller Belästigung gegen Ex-Schiedsrichter-Ausbilder Amerell und es laufen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen eine unbestimmte Zahl von Unparteiischen. Die Hoyzer-Affäre um Spielmanipulationen steckt auch noch in den Köpfen. Dazu Hooliganismus – erst am Samstag verlor ein polizeibekannter Chaot bei einer Schlägerei in Köln einen Arm – Bedrohung, wie jüngst in Magdeburg, Korruption, Doping.
Wer jetzt aber behauptet, der Sport verlöre seine Werte, der hat nur bedingt recht. Denn der Sport, speziell der Profisport, hält der Gesellschaft einfach nur den Spiegel vor. Wenn Millionen "brave" Bürger ihre Steuererklärung frisieren, wenn Arbeitgeber ihre Angestellten zu immer höherem Output treiben, wenn Politiker Doktorarbeiten klauen, wenn sich allein in Deutschland über 10.000 Menschen pro Jahr das Leben nehmen, dann ist das, was wir im Fußball erleben, so zynisch es klingen mag "normal". Erst wenn die Gesellschaft sich ändert, dann wird sich auch der Sport ändern.
Kommentar: Tobias Oelmaier
Redaktion: Wolfgang van Kann