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Turnstar Simone Biles verzichtet auf Mehrkampf

Stefan Nestler mit dpa, sid
28. Juli 2021

Aus Rücksicht auf ihre mentale Gesundheit wird Simone Biles auch nicht im olympischen Einzel-Mehrkampf der Turnerinnen antreten. Ob der Superstar von Rio 2016 überhaupt noch einmal in Tokio startet, ist offen.

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Olympische Spiele Simone Biles USA
Bild: Mike Blake/REUTERS

Turn-Superstar Simone Biles verzichtet aus psychischen Gründen auf den Einzel-Mehrkampf bei den Olympischen Spielen in Tokio. Das verkündete die 24 Jahre alte US-Amerikanerin einen Tag nach ihrem Rückzug beim Mannschafts-Finale. Der US-Turnverband teilte mit, die Entscheidung sei aus Rücksicht auf Biles' mentale Gesundheit gefallen: "Simone wird weiterhin täglich bewertet, um herauszufinden, ob sie an den Einzel-Finals in der kommenden Woche teilnehmen kann."

"Wir wissen nicht, ob es sich um ein Stress-Sympton, einen Burnout oder eine Depression handelt", sagt Sportpsychologe Markus Raab von der Deutschen Sporthochschule Köln der DW. "Aber wenn eine Athletin auf einen so großen Wettkampf wie einen olympischen verzichtet, ist das sicherlich ein Hilferuf." Die Corona-Pandemie habe den psychischen Druck auf die Sportlerinnen und Sportler erhöht.  

"Gewicht der Welt auf meinen Schultern"

Biles, viermalige Olympiasiegerin der Spiele 2016 in Rio de Janeiro, war am Dienstagabend aus dem Mannschafts-Finale nach nur einem Gerät, dem Sprung, ausgestiegen. Anschließend erklärte sie, nicht eine Verletzung, sondern psychische Probleme seien der Grund dafür gewesen. "Ich sage, die mentale Gesundheit steht an erster Stelle", sagte Biles hinterher. Auf Instagram wurde sie deutlicher. "Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, das Gewicht der Welt auf meinen Schultern zu tragen", schrieb Biles. "Ich weiß, dass ich es verdränge und so tue, als würde mich der Druck nicht berühren, aber verdammt, manchmal ist es hart, hahaha! Mit der Olympiade ist nicht zu spaßen!" 

Michael Phelps: "Es hat mir das Herz gebrochen"

Für ihren offen Umgang mit ihren psychischen Problemen schlugen der 19-maligen Weltmeisterin Respekt, Anerkennung und eine Welle der Sympathie entgegen. "Dankbarkeit und Unterstützung sind das, was Simone Biles verdient", twitterte Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Hauses. Ähnlich äußerte sich Mark Adams, Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees (IOC): "Abseits von allem anderen, haben wir Riesenrespekt vor ihr und unterstützen sie stark." 

Brasilien Olympische Spiele Rio 2016 - DW-Interview mit Michael Phelps
Michael Phelps (bei den Spielen 2016 in Rio)Bild: DW/P. Barth

Ex-Schwimmstar Michael Phelps, mit 23-mal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten, sagte, Biles' Entscheidung habe ihm "das Herz gebrochen". Er hoffe wirklich, dass sie allen die Augen für das Thema psychische Gesundheit öffne, sagte der 36 Jahre alte US-Amerikaner. "Es ist so viel größer als wir uns das jemals vorstellen können." Nach dem Karriereende 2016 hatte Phelps öffentlich erklärt, dass er an Depressionen litt. So etwas sei "eine Herausforderung, etwas Unerwartetes, was man nicht kennt", sagte Phelps der DW. Man bekommen aber durch andere Erfahrungen im Leben das Wissen, das einen weitermachen lasse. 

Simone Biles selbst bedankte sich über ihren Twitter-Account inzwischen für den massiven Zuspruch, den sie auch von ihren Anhängern erfahren hat. 

Naomi Osaka scheiterte in Tokio

Biles ist nach der japanischen Tennisspielerin Naomi Osaka der zweite aktuelle Sport-Superstar, der offen über seine psychischen Probleme redet. Die viermalige Grand-Slam-Turniersiegerin Osaka hatte sich Anfang Juni wegen Depressionen von den French Open zurückgezogen und anschließend eine fast zweimonatige Wettkampfpause eingelegt. Bei den Spielen in Tokio hatte sie das Olympische Feuer entzündet. Im Tennisturnier war sie überraschend im Achtelfinale ausgeschieden.

"Wir Sportpsychologen trainieren mit den Athleten, ihre Emotionen zu steuern und mit dem Druck umzugehen", sagt Markus Raab von der Sporthochschule Köln und verweist darauf, dass die Erwartungshaltung der Medien an die Sportlerinnen und Sportler in den vergangenen beiden Jahrzehnten größer geworden sei - nicht zuletzt durch die sozialen Netzwerke. "Vielleicht müssen wir ihnen Pausen gönnen", so der Sportpsychologe, "um sich zu entspannen und auf die Wettkämpfe vorzubereiten."

Dieser Text wurde am 29. Juli aktualisiert. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter