Proteste statt Geburtstagsgeschenk
1. Oktober 2019Trotz des Verbotes einer großen Demonstration sind in Hongkong wieder Zehntausende für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gegangen. Die meisten waren in Schwarz gekleidet. Aktivisten hatten zum 70. Gründungsjubiläum der Volksrepublik China zu einem "Tag der Trauer" aufgerufen. Viele Menschen warfen bei dem zunächst friedlichen Marsch falsche Geldscheine in die Luft, die normalerweise für Beerdigungsrituale eingesetzt werden.
Unter gegenseitigem Beschuss
Zunächst abseits des großen Marsches kam es an mehreren Stellen in Hongkong wieder zu Gewaltausbrüchen. Polizisten setzten Tränengas ein, Demonstranten warfen unter anderem Steine auf die Einsatzkräfte. Nach Angaben eines Krankenhaus-Vertreters sind 15 Menschen an unterschiedlichen Orten verletzt worden, eine Person befindet sich demnach in kritischem Zustand.
Im Stadtteil Tsuen Wan ist laut einem Bericht der Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" ein Mann von der Polizei mit scharfer Munition angeschossen worden. Auf einem Foto der Zeitungswebsite war ein blutender Mann zu erkennen, der von Rettungskräften versorgt wurde.Vonseiten der Polizei hieß es, der Polizeibeamte habe geschossen, als seine Einheit von Demonstranten angegriffen worden sei.
Auch vor dem Hongkonger Regierungshauptgebäude setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer mit gefärbtem Wasser ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Auf Fotos ist zu sehen, wie Demonstranten Scheiben einschlagen und Schilder von einer Brücke entfernen, die den Jahrestag feiern.
Aus Angst vor Ausschreitungen waren vorab Straßen gesperrt und einige U-Bahn-Stationen geschlossen. 6000 Polizisten wurden mobilisiert. Mehrere große Einkaufszentren kündigten an, geschlossen zu bleiben; einige Hotels empfahlen ihren Gästen, die Gebäude nicht zu verlassen.
In Hongkong wurde der Nationalfeiertag auch offiziell gefeiert - allerdings abgeriegelt von der Öffentlichkeit. Im Messezentrum verfolgten geladene Gäste eine Flaggenzeremonie, die per Live-Stream übertragen wurde. Zwei Hubschrauber mit einer großen chinesischen und einer kleineren Hongkonger Fahne flogen über den Hafen der früheren britischen Kronkolonie. Befürworter Chinas feierten unter anderem auf einer Fähre.
China schenkt sich Militärparade zum Geburtstag
In der Hauptstadt Peking hat die Volksrepublik China mit der größten Waffenschau ihrer Geschichte ihren 70. Gründungstag gefeiert. An der riesigen Militärparade am Platz des Himmlischen Friedens nahmen 15.000 Soldaten, mehr als 160 Flugzeuge und 580 Panzer und Waffensysteme teil, darunter auch nuklear bestückbare Interkontinentalraketen. Am 1. Oktober 1949 rief Mao Tse-tung nach seinem Sieg im chinesischen Bürgerkrieg an diesem Ort die Volksrepublik aus.
Mit der Truppenschau will die kommunistische Führung nach Angaben von Experten militärische Stärke, ihren Machtanspruch und internationalen Gestaltungswillen demonstrieren.
Präsident XI Jinping sagte zu zu Beginn der Zeremonie: "Es gibt keine Macht, die die Grundlagen dieser großen Nation erschüttern kann." Keine Macht könne "den Fortschritt des chinesischen Volkes und der Nation aufhalten". Er rief zur Einigkeit auf und versprach den fast 1,4 Milliarden Chinesen "noch mehr Wohlstand".
Mit Blick auf die seit fünf Monaten anhaltenden Proteste in Hongkong forderte Xi Jinping "langfristige Stabilität" in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Er bekräftigte den Grundsatz "ein Land, zwei Systeme", nach dem die frühere britische Kronkolonie autonom regiert wird. Er betonte aber auch mit Blick auf Taiwan den Grundsatz der "friedlichen Wiedervereinigung". Peking betrachtet die demokratische Insel als Teil der Volksrepublik.
Bei der Gründung 1949 war China ein armes Land gewesen. Mit seiner Refom- und Öffnungspolitik seit den 1980er-Jahren stieg es bis heute zur zweitgrößten Volkswirtschaft nach den USA auf.
ust/fab (dpa, rtr, afp, worldbank.org)