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Potenzialanalyse des DOSB sorgt für Ärger

20. September 2021

Der Deutsche Olympische Sportbund veröffentlicht eine Rangliste, anhand der die Höhe der künftigen Sportförderung festgelegt wird. Besonders die Verbände, die schlecht bewertet wurden, üben teilweise harsche Kritik.

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Empfang von Taliso Engel Goldmedaille
Goldmedaillen sind das Ziel der Sportförderung im Spitzensport - nur wie fördert man gerecht?Bild: Sportfoto Zink / Daniel Marr/picture alliance

Leichtathletik, Tischtennis und Reiten, in diesen drei Sportarten sieht eine Expertenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die Medaillenchancen für deutsche Sportler in den kommenden Jahren am höchsten - und möchte dort entsprechend auch am meisten fördern. Die Kommission stützt sich dabei auf Daten, gewonnen aus einer Strukturanalyse der Verbände und den Ergebnissen der Sportler.

Diese sogenannte Potenzialanalyse, kurz PotAS, dient als Grundlage für die Vergabe der Sportförderung des Bundes - also Geld aus Steuermitteln, das vom Bundesinnenministerium (BMI) entsprechend ihres Potentials an die einzelnen Verbände gezahlt wird.

"Blödsinn, ein Bürokratiemonster"

Allerdings sind mit dem Ergebnis der Kommission nicht alle einverstanden und üben teilweise laute Kritik. "PotAS ist Blödsinn, ein Bürokratiemonster", sagt Ingo Weiss, der Präsident des Deutschen Basketball Bundes (DBB), der kein Verständnis dafür hat, dass sein Verband abgeschlagen den letzten Platz unter den 26 olympischen Sommersportarten belegt. Schließlich hatte die Basketball-Nationalmannschaft der Männer in Tokio das Viertelfinale erreicht, was bei Olympischen Spielen seit 1992 nicht mehr gelungen war.

Basketball - Ingo Weiss
Die Potenzialanalyse des DOSB ist für DBB-Präsident Ingo Weiss ein rotes TuchBild: Swen Pförtner/dpa/picture alliance

"Damit haben wir unsere Zielvereinbarung übererfüllt", sagt Weiss. Er sei allerdings nicht überrascht, "weil ich diese PotAS-Analyse für eine Unverschämtheit halte". PotAS sei etwas für Individualsportler, nichts für Mannschaftssportler", bemängelt der 57-Jährige. "Jeder, der die Hose nicht mit der Kneifzange zumacht, muss eigentlich feststellen, dass das, was bei PotAS drinsteht, nicht der Realität des Basketballs entspricht."

Auch dass Basketball 3x3 der Frauen in der PotAS-Rangliste als drittschlechteste aller 103 bewerteten Disziplinen abschneidet, kann Weiss kaum glücklich machen. Immerhin hatten die deutschen 3x3-Basketballerinnen sich mit EM-Silber für die WM im kommenden Jahr qualifiziert. In der PotAS-Liste kamen sie dennoch nur auf 41,35 von 100 möglichen Punkten. Beste Disziplin ist laut der DOSB-Kommission das Freiwasserschwimmen der Männer (93,54) vor dem  Rennsport Kajak der Männer (86,56) und dem Sprung der Frauen in der Leichtathletik (86,31).

Schwache Teildisziplinen ziehen nach unten

Auch den Turnern bereitet die Rangliste Sorgen. "Wir werden die Ergebnisse intensiv disziplinspezifisch analysieren und in Abstimmung mit dem DOSB und dem BMI daran arbeiten, die Rahmenbedingungen zu verbessern", sagte der neue Sportdirektor Thomas Gutekunst, dessen Verband mit einem Potential von 54,78 Punkten nur auf Rang 23 liegt.

Olympia 2020 Tokio | Turnen Pauline Schaefer
Die Leistungen der Turnerinnen und Turnen in Tokio waren gut, fielen aber nicht stark genug ins GewichtBild: Athit Perawongmetha/REUTERS

Allerdings räumte Gutekunst ein: "Neben dem erfolgreichen Abschneiden der Gerätturnerinnen und -turner in Tokio wurde gleichzeitig sowohl im Trampolinturnen als auch in der Rhythmischen Sportgymnastik die Olympia-Qualifikation verpasst, was negativ in die Bewertung eingeflossen ist."

Beim DOSB war man mit dem Ergebnis seiner Kommission dagegen zufrieden. DOSB-Vorstand Dirk Schimmelpfennig nannte die Resultate der Analyse ein "sehr wertvolles Ergebnis" und sagte, durch PotAS sei ein "wichtiger Schritt bei der Umsetzung der Leistungssportreform geschafft".

Rudern steckt im Tabellenkeller

PotAS wurde 2017 eingeführt und sollte das Förderverfahren im Leistungssport transparenter und nachvollziehbarer machen, allerdings entstand von Anfang an Unzufriedenheit. Ein erster Zwischenbericht sah im Jahr 2019 beispielsweise den Badminton-Verband vorne, dagegen den Ruderverband weit hinten, obwohl der Deutschland-Achter und viele Boote in anderen Bootsklassen regelmäßig bei EM, WM oder auch bei Olympia in die Medaillenränge fuhren.

Tokyo 2020 | 8er-Rudern: Deutsches Team holt Silber
Der Deutschland-Achter, in Tokio Gewinner der Silbermedaille, ist seit Jahren ein MedaillengarantBild: Piroschka Van De Wouw/REUTERS

Grund war damals, dass zum einen noch keine Ergebnisse in die Bewertung eingeflossen waren, sondern sich die Rangliste auf eine Auswertung der Antworten auf 132 Fragen stützte. Durch ein mathematisches Rechenmodell ergab sich dann die Reihenfolge. Außerdem schlug bei den Ruderern damals negativ aus, dass der Verband keinen hauptamtlichen Vorstand hatte.

Im Vergleich zu damals hat sich die aktuelle Rangliste insofern "normalisiert", dass der Badminton-Verband nun nur noch auf Platz 15 liegt. Immerhin gab es im Badminton noch nie eine deutsche Olympiamedaille, keinen Weltmeister oder Weltmeisterin und auch der letzte EM-Titel durch Marc Zwiebler liegt bereits neun Jahre zurück. Die Ruderer, die zwar in Tokio nicht glänzten, aber immerhin mit zwei Silbermedaillen nach Hause fuhren und zuvor bei der Europameisterschaft in Italien im April vier Medaillen, darunter eine goldene, gewonnen hatten, landeten trotzdem nur auf dem 18. Rang der PotAS-Liste.

Fußballbund entzieht sich der Bewertung

Interessant wäre gewesen zu sehen, wie der Deutsche Fußballbund (DFB) in den Augen der PotAS-Kommission abgeschnitten hätte. Im Breitensport funktioniert der Trainings- und Spielbetrieb ebenso wie das Schiedsrichterwesen nur durch zahlreiche ehrenamtliche Helfer. Und auf höchster Ebene ließ das Abschneiden bei Welt- und Europameisterschaften zuletzt arg zu wünschen übrig.

Von Olympia ganz zu schweigen: U21-Trainer Stefan Kuntz hatte vor Tokio wegen fehlender Kooperation der Vereine Schwierigkeiten, überhaupt einen vollständigen Kader zusammenzustellen. Entsprechend schlecht lief es im olympischen Turnier, das für die deutsche Mannschaft schon nach der Vorrunde beendet war. Jedoch: Da der DFB keine Bundesmittel erhält, ist er auch nicht Gegenstand der Potenzialanalyse.