Polizei-Reform in Bosnien-Herzegowina gescheitert
19. Mai 2005Das Scheitern der Polizei-Reform stellt einen der schwersten Rückschläge für Bosnien-Herzegowina seit der Unterzeichnung des Dayton-Friedensabkommens dar. Der internationale Bosnien-Beauftragte Paddy Ashdown ist selten so erbost und nervös aufgetreten, wie als er die Verhandlungen über die wahrscheinlich wichtigste Reform in diesem Land für gescheitert erklärte. "Da die Gelegenheit für die Reform der Polizeistrukturen verpasst wurde, werden die Bürger dieses Landes, einschließlich der Bürger der Republika Srpska, einen hohen Preis dafür bezahlen", sagte Ashdown. "Auf diese Weise riskiert Bosnien-Herzegowina seine Zukunft in Europa. Somit ist es das einzige Land in der Region, dem es nicht gelungen ist, Fortschritte in Richtung europäische Integration zu erzielen", so der internationale Bosnien-Beauftragte. Ashdown machte gerade heraus die Führung der Republika Srpska für das Scheitern der Verhandlungen über die Polizeireform verantwortlich. Die Bürger dieser Entität sähen weiteren Rückschritten und Isolation entgegen.
Auch Ashdown in der Kritik
Doch die ersten scharfen Reaktionen aus der Föderation auf das Scheitern der Polizeireform richteten sich nicht nur gegen die Politiker der Republika Srpska, sondern auch gegen Vertreter der internationalen Gemeinschaft, Ashdown nicht ausgenommen. Sejfudin Tokic, Vorsitzender der oppositionellen SDU (Sozialdemokratische Union), sagte, serbische nationalistische Kreise wollten die Reformen in Bosnien-Herzegowina verhindern, einschließlich der euro-atlantischen Integration des Landes. "Die internationale Gemeinschaft ist in dieser Frage nicht umsichtig genug. Ein solcher Standpunkt der Politiker aus der Republika Srpska wird gebilligt und trägt dazu bei, dass alle politischen Kräfte und Bürger in Bosnien-Herzegowina bestraft werden."
Dobrica Jonjic, ein Führungsmitglied der Neuen Kroatischen Initiative, NHI, der an den Verhandlungen zur Polizeireform teilnahm, sagte: "Das ist überhaupt keine Überraschung, weil auch Herrn Ashdown schließlich bewusst geworden ist, dass er in Bosnien-Herzegowina während seines vierjährigen Mandats mehr oder weniger seine Zeit verplempert hat und mit seinen nationalistischen Reformen Bosnien-Herzegowina von den euroatlantischen Integrationen entfernt hat".
Ashdown und Michael Humphries, Leiter der Delegation der EU-Kommission in Sarajevo, erklärten, es sei praktisch sicher, dass Bosnien-Herzegowina nun keine positive Antwort auf die Umsetzung der Forderungen aus Machbarkeitsstudie der EU erhalten wird. Die Türen zur EU schließen sich, und Bosnien-Herzegowina steht vor einer ganz unsicheren Zukunft.
Proteste in Banja Luka
Unterdessen versammelten sich auf dem zentralen Krajina-Platz in Banja Luka etwa 20.000 Menschen zu einer Kundgebung. Damit wollten sie ihre Unterstützung für die Verankerung der Republika Srpska in der Verfassung von Bosnien und Herzegowina demonstrieren. Die Versammlung organisierte der Stab für den Schutz der Verfassungsordnung der Republika Srpska im Rahmen der Verfassung von Bosnien und Herzegowina. Zu diesem Stab gehören elf Nicht-Regierungsorganisationen, deren Mitglieder überwiegend Kriegsveteranen, Invaliden, Angehörige gefallener Soldaten, ehemalige Lagerinsassen und Flüchtlinge sind. Auf der Veranstaltung in Banja Luka wurde den Vertretern der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina und Brüssel sowie der Regierung der Repulika Srpska und Bosnien-Hezegowina bestellt: "Die Republika Srpska und ihre Institutionen werden nicht weiter veräußert und zerstört".
Nationalisten machen Einfluss geltend
Die Versammlung wurde anberaumt, nachdem die erste Verhandlungsrunde im hundert Kilometer westlich von Sarajewo gelegenen Vlasic über die Polizeireform beendet worden war. Das Ergebnis dieser Verhandlung war, dass die Innenministerien der Entitäten aufgehoben werden und das Land in neun Polizeidistrikte aufgeteilt wird. Zu verhandeln blieb noch, wie diese Polizeibezirke entitätsübergreifend aufgeteilt werden sollten. Bei ihrer Rückkehr nach Banja Luka liefen die Unterhändler aus der Republika Srpska, angeführt von Präsident Dragan Cavic, ins offene Messer. Denn zuvor beschloss die Volkskammer, dass die Unterhändler aus der Republika Srpska keinerlei Reformen erörtern dürften. Umgehend begehrten auch die nach dem Krieg entstanden Nicht-Regierungsorganisationen auf, die mehr oder minder von den Nationalisten in der SDS, Serbische Demokratische Partei, kontrolliert werden.
Zoran Pirolic, Sarajewo, Stanko Smoljanovic, Banja Luka
DW-RADIO/Bosnisch, 17.5.2005, Fokus Ost-Südost