Parmalat-Prozess ums große Geld
6. Oktober 2004Die Summe ist beachtlich: rund 14,5 Milliarden Euro Schulden hatte der italienische Lebensmittelkonzern Parmalat, als er Ende 2003 zahlungsunfähig war - verursacht durch Finanzmanipulationen. Damit hat Europa einen seiner größten Bilanzskandale. Leidtragende sind auch Kleinanleger, alleine in Italien sollen es mehr als 130.000 sein, die in den Jahren zuvor ihr Erspartes in das börsennotierte Unternehmen investiert hatten. Ob sie ihr Geld jemals wieder sehen, ist fraglich. Auch Banken haben nach dem Zusammenbruch des Unternehmens Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe angemeldet. Viele Hoffnungen auf Ersatz hängen am nun eröffneten Prozess. Am Dienstag (5.10.2004) begann in Mailand die Vorverhandlung, der Hauptprozess soll Ende des Jahres beginnen. Das gesamte Verfahren dürfte aber Monate, wenn nicht Jahre dauern. Die Vorwürfe: Kursmanipulation, die Verbreitung falscher Finanzinformationen und die Behinderung der italienischen Börsenaufsicht.
Vertuscht oder nicht?
Unter den zehn Hauptangeklagten finden sich große Teile der ehemaligen Führungsriege des Konzerns aus Collecchio bei Parma: Ex-Präsident Calistio Tanzi, die Ex-Finanzchefs Fausto Tonna und Luciano Del Soldato, Bilanzbuchhalter Claudio Pessina und der ehemalige Verantwortliche für den US-Markt, Gian Paolo Zini. Auch Parmalat-Rechnungsprüfer von der Gesellschaft Grant Thornton sind als Komplizen angeklagt. Die Bank of America soll ebenfalls der früheren Geschäftsführung geholfen haben, das wahre Ausmaß der Schulden zu vertuschen, so dass weiterhin Anleger ihr Geld in dem Konzern ließen.
Doch auch gegen die Buchprüfer von Deloitte & Touche, die Deutsche Bank und das Schweizer Bankhaus UBS und die US-Bank Citicorp wird ermittelt. Sie sollen immerhin durch nachlässiges Handeln dem Unternehmen Schaden zugefügt haben. Allerdings: Die Banken fordern selbst Schadenersatz von Parmalat, da sie auch Geld in das Unternehmen gesteckt haben. Wer Geschädigter ist und wer Verursacher, muss sich in dem Verfahren noch zeigen. Davon hängt auch ab, ob und wie viel Schadenersatz gezahlt werden kann.
Weitreichende Einschnitte
Der Prozess ist die eine Seite des Dramas, der Erhalt des Unternehmens die andere Seite. Noch bevor Firmengründer und Parmalat-Chef Tanzi am 27. Dezember 2003 verhaftet wurde, hatte er seinen Posten - nicht ganz freiwillig - an den Sanierer Enrico Bondi abgegeben. Der brauchte danach zusammen mit seinen Mitarbeitern drei Monate, um sich einen brauchbaren Überblick über die finanzielle Lage des Konzerns zu verschaffen - bisherige Bilanzen und Buchführungen waren zum großen Teil gefälscht oder verschwunden. Gesamtschulden: die erwähnten 14,5 Milliarden Euro. Zahlungsfähigkeit: nicht vorhanden. Bondi legte im Juli 2004 einen Sanierungsplan für Parmalat vor, der den Konzern für die kommenden Jahre am Leben erhalten soll, allerdings nach weitreichenden Einschnitten.
Die italienische Regierung, in deren Auftrag der Verwalter arbeitet, stimmte dem Plan bereits zu. Im Herbst sollen die Gläubiger einer Umstrukturierung der Schulden zustimmen. Sie würden demnach nur rund ein Zehntel ihres einst zur Verfügung gestellten Kapitals wieder sehen - in Form von Aktien.
"Super-Bondi" soll es richten
Auch die Mitarbeiter des Konzerns müssen mit erheblichen Einbußen rechnen. Derzeit arbeiten noch 32.000 Menschen in 30 Ländern für Parmalat. Nach Bondis Plänen sollen es in einigen Jahren mit maximal 17.000 Menschen fast 50 Prozent weniger sein. Nicht einmal 80 Produktionsstätten soll es in nur noch zehn Ländern geben. Trotzdem gilt Bondi in Italien als "Super-Bondi", zumindest bei den Kleinanlegern. Denn er hat sich mit den Schadenersatzklagen gegen die Banken mit den Großen im Finanzgeschäft angelegt.