"In die jeweilige Kultur übertragen"
25. Oktober 2015
"Jedes allgemeine Prinzip muss in die jeweilige Kultur übertragen werden, wenn es eingehalten und angewendet werden soll." Am Sonntag beendete das Kirchenoberhaupt mit einer feierlichen Messe im Petersdom das Treffen offiziell. Und sprach von der Versuchung, Menschen auszuschließen, wenn sie lästig seien. Jesus wolle einschließen. Und immer wieder kam der Begriff Mitgefühl, "compassion", mit dem er sich gegen den Ausschluss von lästigen Menschen wendet.
Das rundum mit Zweidrittel-Mehrheit verabschiedete Abschlusspapier beinhaltet eine positivere Sicht auf Ehe und Familie als manches kirchliche Wort der vergangenen Jahrzehnte. In nicht wenigen Teilen ist es eine Ermahnung oder Ermunterung der Seelsorger zu einem offenen Umgang mit Lebensrealität. Dabei geht es in keinem Punkt explizit um eine Änderung der kirchlichen Lehre. Implizit lässt es aber einen anderen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen offen.
Über Homosexualität gesondert nachdenken
Die Frage der Bewertung von Homosexualität bleibt indes ein Randthema. Man habe, sagte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, rasch die Übereinkunft gehabt, dass es bei Beratungen über "Ehe" nicht um Homosexualität gehen solle und man dazu gesondert nachdenken müsse.
Aber vor allem nimmt der Bericht einen weltweiten Blick auf faktische Schwierigkeiten für Familien und nicht auf ideologische Kontroversen. Da geht es um soziale und materielle Schwierigkeiten, Krieg und Flucht und Vertreibung, eine "Wegwerfkultur" und Ausbeutung. Diese Umstände kennt auch der argentinische Geistliche Jorge Mario Bergoglio, der heutige Papst, aus seiner Heimat.
Zündstoff und Intrigen
Auch deshalb brachte er das Thema Ehe und Familie auf die römische Agenda. Dazu gehört die kirchliche Bewertung von Sexualität. Franziskus lud - im Herbst 2014 und jetzt - zu zwei großen Synoden ein. Und er ermunterte Katholiken in aller Welt, sich an Umfragen zu beteiligen. Er wollte offenen Dialog und auch Streit. Die Literatur der Beratungen, meinte ein Teilnehmer, fülle "eine ganze Bibliothek".
Und bedeutete eben Zündstoff. Zum Auftakt der Synode outete sich ein polnischer Monsignore aus der Glaubenskongregation als homosexuell und zog sogleich zu seinem Partner nach Barcelona. Dann kam ein ominöser Brief konservativer Kardinäle, die den Papst vor Reformen warnten, an die Öffentlichkeit - gegen deren Willen.
Der Höhepunkt war in dieser Woche ein italienischer Zeitungsbericht über einen angeblichen Gehirntumor bei Franziskus. Auch zurückhaltende Bischöfe sprachen da von regelrechten "Intrigen" gegen den Papst. Einer der 94 Absätze des Schlussdokuments erhielt 80 Gegenstimmen - was die Zweidrittelmehrheit nicht verhindern konnte. Genau da geht es wesentlich um das "Gewissen", um das eigene, reflektierte Urteil der Gläubigen.
Bischöfe geprägt von ihrer Zeit und Region
Aber es zeigt auch die Härte des Konflikts, den der konservative australische Kurienkardinal George Pell als "Schlacht" bezeichnete. Es sind eben alles Kinder - nein Söhne - ihrer Zeit und ihrer Region. Pell, Sohn eines Boxers, spielte in seiner Jugend Rugby. Der Wiener Schönborn erlebte als Kind die Scheidung der Eltern.
Der jüngste der Kardinalsrunde, der 53-jährige Soane Patita Paini Mafi aus Tonga, hatte beim Stichwort Globalisierung das Leid der Familien im weltweiten Klimawandel im Blick. Der Ungar Peter Erdö schwieg lange zur Härte seiner Regierung gegen Flüchtlinge.
"Nach der Synode ist vor der Synode"
All diese Facetten gehören dazu, wenn Franziskus so betont sagte, dass man den Glauben in die jeweilige Kultur einbringen müsse und er dadurch stark werde. Als Papst geht er voran. Er hat er mit dieser Synode eine Zwischenetappe seines Pontifikats erreicht. Die Bischöfe applaudierten ihm am Ende der Synode mit standing ovations. Er revanchierte sich mit Appellen und Mahnungen.
"Nach der Synode ist vor der Synode", sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. So konnten die Teilnehmer zum Abschluss bereits Themen für nächste Beratungen nennen. Dem Erzbischof von Brisbane, Mark Coleridge, fielen da, wie er später berichtete, spontan Themen ein wie "sexueller Missbrauch und häusliche Gewalt" oder auch "Massenmigration".
Für Franziskus geht das Programm rasch weiter. Gleich am Montag trifft er in der vatikanischen Audienzhalle mehr als 5000 Roma aus aller Welt. Menschen am Rand der Gesellschaften fühlt er sich besonders verbunden. In vier Wochen tourt er durch drei Länder Schwarzafrikas. Vorher hat er alle deutschen Bischöfe zu Gast, alle paar Jahre besuchen sie die römische Zentrale.
Dann wird er ihnen gewiss weiter erläutern, was eine "menschliche und barmherzige Haltung" von Kirche in Mitteleuropa heißt. Denn Barmherzigkeit wird immer mehr zum Kernbegriff seines weiteren Weges, nicht zuletzt auch mit einem im Dezember beginnenden Heiligen Jahr.