Der Papst unterwegs im Herzen Europas
12. September 2021Und wieder reist Papst Franziskus zu Menschen am Rande der Gesellschaft. Bei seinem dreieinhalbtägigen Besuch in der Slowakei kommt das Kirchenoberhaupt nach Kosice ganz im Osten des Landes und besucht dort den Stadtteil Lunik 9. Der Name steht für heruntergekommene Plattenbauten aus sozialistischer Zeit, in denen vor allem Familien der Roma-Minderheit leben. Einen Ort, den man als "Brennpunkt" bezeichnen könnte.
Zum 34. Mal tritt Papst Franziskus eine Auslandsreise an. Seine bislang letzte Flugreise, sein Besuch im Irak, liegt bereits mehr als ein halbes Jahr zurück. Weitere Ziele sind längst benannt. Aber zwischenzeitlich musste sich der bald 85-jährige Franziskus im Juli in einer römischen Klinik einer Darm-Operation unterziehen, die nach allem, was man weiß, heikler war als zunächst angenommen.
Eines der kleineren EU-Länder
Nun ist es eine seiner wenigen mehrtägigen Reisen, die ein europäisches Land zum Ziel hat. Sowohl nach Fläche als auch nach Einwohnerzahl ist die Slowakei eines der kleineren EU-Länder. Und doch passt der Ort in die bisherigen Zielregionen des Papstes in Europa.
Denn immer wieder zieht es ihn in mitteleuropäische Länder, die einst hinter dem Eisernen Vorhang lagen. Das begann bereits 2014 mit Albanien, dem "Armenhaus des Kontinents". Im Laufe der Zeit folgten Bosnien-Herzegowina, Polen, die baltischen Staaten Litauen, Lettland, Estland und zuletzt 2019 Bulgarien und Nordmazedonien und einige Wochen später Rumänien. Für den Papst, der aus dem fernen Argentinien kommt, geht es auch hier jeweils um das Herz Europas.
Franziskus erinnert an Europas Werte
Es ist nicht das Europa von Brüssel oder Frankfurt, auf das Franziskus setzt. Seitdem der Argentinier im November 2014 im Europäischen Parlament in Straßburg Europa massiv kritisierte und eine Rückbesinnung auf die gemeinsamen Werte anmahnte, geht er in jene Regionen, die sonst gern im Schatten stehen.
Für den slowakischen Salesianer-Pater Tibor Reimer passt das. Der Salesianer-Orden ist dafür bekannt, dass er sich in der Jugendarbeit und für benachteiligte Jugendliche einsetzt. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erinnert Pater Reimer halb-scherzhaft daran, dass sich in der Slowakei, bei Kremnica im Zentrum des Landes, einer der diversen "Mittelpunkte Europas" befinde. "Geographisch sind wir fast im Herzen Europas. Ein Land an der Kreuzung zwischen Ost und West", sagt der Ordensmann. Die Slowakei habe sich als kleines Land in Europa etabliert. "Die Slowaken fühlen sich sicher als Europäer. Die Slowakei fühlt sich sicher als europäisches Land."
Zwischen West und Ost
Damit einher geht ein Aspekt, der vielen Christen in Westeuropa gar nicht bekannt ist. Häufig überschneiden sich in diesen Ländern auch alte kirchliche Traditionen. So feiern Katholikinnen und Katholiken in der Slowakei nicht nur nach dem römischen Ritus, sondern auch nach dem byzantinischen Ritus die Messe. Und auch Papst Franziskus wird - ein Zeichen des Respekts - in Kosice die Liturgie in diesem Ritus feiern. Deutlich über 60 Prozent der slowakischen Bevölkerung bekennen sich zum katholischen Glauben.
Für Pater Reimer ist der Besuch des Papstes in Kosice und Lunik 9 ein Kernelement der Reise. Bis zu zehn Prozent der Bevölkerung des Landes gehöre zur Minderheit der Roma. "Schon, dass der Papst diese Minorität besucht, ist ein sehr kräftiger Impuls." Er sehe darin eine Mahnung an Kirche und Gesellschaft, sagt Reimer.
Gelegentlich gab es sogar Gemeinden, die Roma von ihren sonntäglichen Gottesdiensten ausschlossen. "Wir haben uns hier in der Slowakei vielleicht schon irgendwie daran gewöhnt, dass man dieses Problem nicht lösen kann oder politisch nicht lösen will", sagt Pater Reimer. Es müsse weitere Anstrengungen um Integration geben. Sein Orden engagiert sich, unterstützt vom Hilfswerk Renovabis der deutschen Katholiken, seit mehr als zwei Jahrzehnten in Kosice und Lunik 9.
Die "Nähe und Liebe zu den marginalisierten Gruppen", den Menschen am Rande der Gesellschaften, den sozial Schwächeren, gehöre programmatisch zu Franziskus, sagt Reimer. Deshalb sei dieser Papst durchaus respektiert bei den Menschen in der Slowakei, wobei dessen Vorgänger Johannes Paul II., der das Land mehrmals besuchte, wegen seines Beitrags zur Überwindung der Teilung Europas unvergessen sei. Allerdings ist noch unklar, wie viele Menschen in Corona-Zeiten selbst nun an Feiern mit dem Papst teilnehmen wollen.
Eine Stippvisite
Die Dauer und das Programm des Slowakei-Besuchs konterkarieren die Stippvisite, die Franziskus zuvor in der ungarischen Hauptstadt Budapest absolviert. Keine sieben Stunden hält sich der Papst am Sonntag in dem Land auf. Der Kurzbesuch gilt erkennbar dem 52. Internationalen Eucharistischen Kongress und der Abschlussmesse, nicht dem Gastgeberland.