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GesellschaftPakistan

Pakistan: Christliche Gemeinde Karatschis wird immer kleiner

Mohammad Salman
14. März 2024

In der Metropole Karatschi lebt eine kleine Gemeinde ehemals aus Goa eingewanderter Christen. Seit Jahren kommt es im Land zu Ausschreitungen radikaler Muslime gegen Christen. Viele haben das Land bereits verlassen.

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Die Kathedrale des Heiligen Patrick in Karatschi
Christliches Wahrzeichen: die Kathedrale des Heiligen Patrick in KaratschiBild: Mohammad Salman/DW

Die Geschichte der aus dem indischen Goa ins heutige Pakistan eingewanderten Christen reicht weit zurück: Im Jahr 1510 eroberte die damalige Kolonialmacht Portugal Goa, einen kleinen Ort an der Westküste Indiens. In der Folge konvertierte ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung zum Christentum. Sie bildeten die Gemeinde der so genannten Goa-Katholiken. Sie sind Teil der insgesamt knapp zwei bis drei Millionen Christen, die einer Volkszählung aus dem Jahr 1998 zufolge in Pakistan leben. Christen machen der Nicht-Regierungsorganisation (NGO) Minority Rights Group zufolge gut anderthalb Prozent der pakistanischen Gesamtbevölkerung aus. Seit Jahren kommt es in dem Land zu Ausschreitungen radikaler Muslime gegen Christen

Die ersten Goa-stämmigen Katholiken kamen im 19. Jahrhundert nach Karatschi, heute mit knapp 15 Millionen Einwohnern die größte Stadt Pakistans. "Die Mitglieder der Gruppe kamen zuerst als Lehrer an katholischen Einrichtungen nach Karatschi, als die Briten in den 1850er Jahren dort erste Handelsniederlassungen gründeten", sagt der Architekt und Stadtplaner Arif Hasan. "In den 1870er Jahren folgten dann weitere Mitglieder der Gemeinde."

Die St. Josephs-Schule in Karatschi
Die St. Josephs-Schule in KaratschiBild: Mohammad Salman/DW

Beitrag zur Stadtentwicklung

Auch seine Vorfahren gehörten zu dieser Gruppe, sagt Hasan. "Mein Großvater wurde in Karatschi geboren. Meine Mutter war aus Goa. Mein Vater stammte aus dem indischen Mangalore. Er gehörte zu einer Familie, die zuvor aus Goa nach Mangalore eingewandert war."

Im Jahr 1886 gründeten Goa-stämmige Christen die Goa-Portugiesische Vereinigung. Ihre Mitglieder engagierten sich in der Bildung und errichteten markante Gebäude. So trug die Gemeinde dazu bei, das das soziokulturelle Leben wie auch das Stadtbild Karatschis zu prägen. Ein Beispiel dafür ist die von dem jüdischen Architekten Moses Somake entworfene und zu Beginn des 20. Jahrhundert errichtete Goa-Portuguese Hall, auch Goan Gymkhana genannt.

Auch nach dem Jahr 1947, als das damalige Britisch-Indien in zwei Länder - Indien und Pakistan - geteilt wurde, änderte sich für die aus Goa stammenden Christen in Karatschi zunächst wenig. Doch in den 1980er Jahren ging die Zahl ihrer Mitglieder spürbar zurück.

Druck durch Populisten

Im Laufe der Zeit hätten viele Mitglieder der Gemeinde Karatschi verlassen, sagt Freddy Nazareth, auch er ein Mitglied der Gruppe. Die meisten hätten dies aus wirtschaftlichen Motiven getan. "Die erste Welle, die die Stadt in Richtung Großbritannien verließ, bestand aus Indern mit englischen Wurzeln und vielen Christen aus Goa. Später zogen Gemeindemitglieder ins kanadische Montreal", so Nazareth im Gespräch mit der DW.

Pakistan Karachi | Protest gegen Gewalt gegen die Christliche Gemeinschaft
Prostest in Karatschi gegen Gewalt, die sich gegen die christliche Gemeinschaft richtet, 16 August 2023Bild: RIZWAN TABASSUM/AFP/Getty Images

Die Lage war insgesamt schwieriger geworden. Im Jahr 1977 putschte das Militär unter der Führung von General Zia-ul Haq und vertrieb die Regierung von Zulfikar Ali Bhutto Bhutto aus dem Amt. Haq, der das Land bis 1988 regierte, verfolgte eine Politik hin zu einer forcierten Islamisierung des Landes.

In jenes Jahr 1977 fällt auch die Gründung der populistischen, religiös motivierten Pakistan National Alliance. "In diesem Kontext wurden erste Klagen über die Kleidung der weiblichen Mitglieder der Goa-stämmigen Gemeinde laut", sagte Hassan. Insbesondere hätten sich einige über die Röcke und Blusen der Frauen beschwert. "In den 1980er und 90er Jahren verließen einige Mitglieder der Gemeinde die Stadt", sagt Hassan. 

Hoffnung auf besseres Leben im Ausland

"Unsere Gemeinde ist geschrumpft, weil wir als Minderheit nur begrenzte Arbeitsmöglichkeiten haben", sagt Christopher Vaz, Kommunikationsbeauftragter einer in Karatschi ansässigen Nicht-Regierungs-Organisation, im DW-Gespräch. "Viele Familien wanderten nach Kanada, Australien und in die USA aus."

Wie viele Mitglieder die Gruppe heute hat, lässt sich nur schwer sagen. Ihre Zahl in dem ethnisch und kulturell vielfältigen Land dürfte unter 10 000 liegen, schreibt der Historiker Menin Rodrigues in seinem Buch "Footprints on the Sands of Time - Historical Recollections and Reflections, Goans of Pakistan (1820-2020)".

Veränderter Lebensstil

"Früher sah man die weiblichen Mitglieder der Gemeinde vor allem in ihren traditionellen Kleidern", sagt Nazareth. Inzwischen aber trügen die meisten von ihnen den sogenannten Shalwar Kameez. Die Kombination aus einem langen Hemd und einer Hose gilt als traditionelle Kleidung in Pakistan.

BdTD | Pakistan, Karachi | Weihnachtsparade von Christen
Weihnachtsparade von Christen in Karatschi, Dezember 2022Bild: Rizwan Tabassum/AFP/Getty Images

"Selbst auf einer Hochzeit in der Goa-Gemeinde, an der ich kürzlich teilnahm, waren die meisten Frauen in einen Shalwar Kameez gekleidet", sagt Nazareth. "Sie zeigen sich nicht mehr wie bisher in ihren Kleidern. Dies würde nur unerwünschte Kommentare provozieren", so Nazareth.

Die traditionellen Speisen hingegen haben sich erhalten. "Am bekanntesten ist das Sorpotel, ein Rindfleischgericht", so Vaz. Auch bestimmte Hochzeitsriten sind geblieben. "Dazu gehört etwa die Roca-Zeremonie, bei der wir die Braut und den Bräutigam mit Kokosnussöl und Kurkuma einsalben."

Einige Lebensgewohnheiten hätten sich allerdings stark verändert, sagt die zur ebenfalls zur Gemeinde gehörende Lehrerin Delphine D'Mello "Früher haben wir immer Fisch-Curry und Reis gegessen, Aber die jüngere Generation bevorzugt Fast Food und geht in Restaurants. Anders als die Älteren, die ihr Geld zusammenhielten, geben die Jungen es gerne aus."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.