Empörung in Ägypten
2. Februar 2013Die Videoaufnahmen zeigen, wie offenbar am Rande der Oppositionsproteste vom Freitag Polizisten einen Mann nahe des Präsidentenpalasts mit Knüppeln verprügeln und ihm die Kleider vom Leib reißen. Dann wird der Mann nackt über den Boden geschleift und in einen Transporter verfrachtet. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich um einen 50-jährigen Arbeiter. Er sei von den Polizisten verfolgt worden, weil er "18 Molotowcocktails und zwei Benzinkanister" bei sich getragen habe.
Ägyptens Präsident Mohammed Mursi zeigte sich "schmerzerfüllt angesichts dieser schockierenden Bilder". Die Polizisten hätten den Mann auf eine Art und Weise behandelt, die weder der Menschenwürde noch den Menschenrechten entsprächen, erklärte Mursis Sprecher Jasser Ali. Gleichwohl handele es sich um einen "Einzelfall", und das Innenministerium habe eine Untersuchung eingeleitet. Auch das Ministerium selbst sprach von einem Einzelfall und entschuldigte sich in einer Mitteilung für den Vorfall.
Opposition: Entschuldigung reicht nicht
Der Sprecher der oppositionellen Nationalen Heilsfront, Chaled Daud, sagte indes, dieser Vorfall müsse zu einem sofortigen Rücktritt von Innenminister Mohammed Ibrahim führen. Das Video zeige schreckliche und ehrenlose Szenen, und eine simple Entschuldigung seitens des Ministeriums reiche dafür nicht aus. Die Nationale Heilsfront ist die wichtigste Gruppierung der ägyptischen Opposition. Auch in sozialen Netzwerken entzündete sich eine heftige Debatte über das Video.
Vor gut einem Jahr hatte in ein ähnlicher Fall für Empörung gesorgt. Damals - als noch der Militärrat regierte – wurde im Internet ein Video veröffentlicht, das zeigte, wie eine Demonstrantin von Soldaten brutal verprügelt und entblößt wurde, so dass ihr BH zu sehen war.
Neue Gewalt gegen Regierungsmitglied
In Kairo bewarfen Demonstranten nach Angaben des privaten Fernsehsenders Dream Live die Autokolonne von Ministerpräsident Hischam Kandil mit Steinen und Flaschen, als dieser zum zentralen Tahrir-Platz fahren wollte. Kandil habe daraufhin den Platz verlassen.
Mursi und die Muslimbruderschaft verurteilten derweil die Ausschreitungen vom Freitag vor dem Präsidentenpalast. Mursis Sprecher Ali forderte nach Angriffen mit Brandsätzen auf den Amtssitz Mursis die politischen Gruppen auf, die Krawalle zu verurteilen. Die Partei der Muslimbruderschaft warf der oppositionellen Nationalen Rettungsfront vor, die Gewalt legitimiert zu haben.
"Wie sollen die, die ihre eigenen Anhänger nicht im Griff haben, ein Land regieren?" fragten die Islamisten mit Blick auf die Oppositionsforderung nach einer Regierung der nationalen Einheit. Bei den Ausschreitungen am Freitag in Kairo wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein Mensch getötet und 102 weitere Personen verletzt. Weitere Großdemonstrationen wurden aus den Städten Alexandria, Port Said und Mahalla al-Kubra gemeldet.
gmf/re (afp, dpa, ap)