Wirbel um Olympia-OK-Chef Yoshiro Mori
4. Februar 2021Als hätten die Macher der für den kommenden Sommer geplanten Olympischen Spiele in Tokio nicht schon Probleme genug. Nun hat Yoshiro Mori, Chef des Organisationskomitees, mit einer frauenfeindlichen Aussage einen Sturm der Entrüstung und damit weitere Unruhe rund um das Großereignis ausgelöst. Der 83-Jährige hatte am Mittwoch an einer Video-Schalte des Japanischen Olympischen Komitees (JOC) teilgenommen, bei der darüber diskutiert wurde, den Anteil der weiblichen Vorstandsmitglieder von 20 auf 40 Prozent zu verdoppeln.
Mori sagte, Frauen würde Sitzungen in die Länge ziehen, weil sie sich nicht präzise ausdrückten: "Jemand hat mir gesagt, dass wir, wenn wir die Anzahl der Frauen erhöhen, auch ihre Redezeit bis zu einem gewissen Grad einschränken müssen. Sonst werden sie nie aufhören - was problematisch ist."
Entschuldigung ja, Rücktritt nein
Moris Äußerung löste heftige Reaktionen aus - nicht nur in den sozialen Medien, wo viele User unter dem Hashtag #Moriresign" ihrem Unmut über den früheren Ministerpräsidenten Luft machten und ihn aufforderten, als OK-Chef zurückzutreten.
Die Gleichstellung der Geschlechter sollte für die Spiele in Tokio eigentlich "eine Selbstverständlichkeit" sein, sagte JOC-Direktorin Kaori Yamagouchi der Zeitung "Japan Times": "Es ist bedauerlich, dass der Präsident des Organisationskomitees eine solche Bemerkung macht."
Mori entschuldigte sich an diesem Donnerstag für seine "unangemessenen Worte", sagte aber auch, er denke nicht daran zurückzutreten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) betrachtet die Angelegenheit mit der Entschuldigung Moris als "erledigt".
Medizinische Versorgung gefährdet
Doch das IOC macht es sich mit dieser Erklärung wohl zu leicht. Die Zahl der Olympia-Kritiker und -Skeptiker in Japan ist ohnehin schon sehr hoch. Bei einer Umfrage im Januar plädierten rund 80 Prozent der Japanerinnen und Japaner dafür, die Spiele wegen der Corona-Pandemie zu verschieben oder ganz abzusagen. Gerade erst hat die Regierung den Ausnahmezustand für den Großraum Tokio und mehrere andere Regionen bis zum 7. März verlängert - auch wenn die Zahl der täglichen Infektionen nach dem Höhepunkt vor rund vier Wochen wieder sinken. Insgesamt wurden bisher (Stand 4. Februar) in Japan rund 400.000 COVID-19-Fälle registriert, etwa 6000 infizierte Menschen starben. Die Präfektur Tokio verzeichnete etwa ein Viertel der landesweiten Corona-Fälle.
Satoru Arai, Chef eines Verbands, der 20.000 Ärzte in Tokio vertritt, glaubt kaum, dass die mehr als 3500 für die Olympischen Spiele eingeplanten medizinischen Fachkräfte wirklich abgestellt werden können. Die Ärzte und Krankenpfleger hätten mit der Pandemie alle Hände voll zu tun, sagte Arai: "Egal wie ich es drehe und wende, es ist nicht möglich."
Medizinprofessor Norio Sugaya, Pandemie-Berater der Weltgesundheitsorganisation WHO, forderte eine 14-tägige Quarantäne für alle Olympia-Starter und deren Betreuer: "Es besteht das Risiko, dass sich Infektionen innerhalb des Olympischen Dorfes ausbreiten und dann auch auf das ganze Land. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über Großveranstaltungen mit direktem Kontakt zu diskutieren."
Anreise auf eigene Gefahr
Das Organisationskomitee in Tokio hatte am Mittwoch gemeinsam mit dem IOC und dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) ein "Playbook" (Strategiebuch) mit ersten Leitlinien für die Teilnehmer der Olympischen und Paralympischen Spiele veröffentlicht. Darin wird unter anderem dazu aufgefordert, Athleten nicht mit Gesängen oder Rufen anzufeuern, sondern nur mit Applaus. Außerdem sollen die Teilnehmer Menschenansammlungen meiden und keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, heißt es in der Broschüre, müsse allen Teilnehmern klar sein, dass sie "auf eigene Gefahr" nach in Tokio kämen.