1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Obama hinterlässt unbefriedetes Afghanistan

Masood Saifullah
20. Januar 2017

Barack Obama hat seinem Nachfolger Trump in Afghanistan ein unerledigtes Problem hinterlassen. Friedensgespräche mit den Taliban sind nicht in Sicht, die Regierung hat große Teile des Landes nicht unter Kontrolle.

https://p.dw.com/p/2W7c3
General David Petraeus und Barak Obama in afghanistan im Dezember 2010 (Foto: Getty Images/AFP/J. Watson)
Bild: Getty Images/AFP/J. Watson

Nach seinem Amtsantritt im Januar 2009 stellte Barack Obama fest, dass die US-Truppenpräsenz in Afghanistan bei weitem nicht ausreichte, um die Aufstandsbewegung der Taliban in den Griff zu bekommen. Damals waren etwa 68.000 US-Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Obama stockte diese Zahl um 33.000 auf. Laut Afghanistan-Experte Michael Kugelman vom Washingtoner Woodrow Wilson Center machte Obama damit den Afghanistan-Einsatz zur Chefsache, während er von seinem Vorgänger George W. Bush vernachlässigt worden sei. Die zusätzlichen Soldaten sollten möglichst schnell nach Afghanistan geschickt werden ("surge") und innerhalb eines festen Zeitrahmens wieder zurückgeholt werden. Im September 2012 wurde der Einsatz der Extra-Truppen wieder beendet. Er hatte "zu einem gewissen Maß an Stabilität geführt, zumindest für eine kurze Zeit", sagt Kugelman. 

Aber die USA waren nach wie vor weit davon entfernt, den Krieg gegen die Extremisten zu gewinnen. Die afghanischen Sicherheitskräfte blieben unzureichend ausgebildet, um den Aufständischen effektiv zu begegnen, und diese wurden stärker als je zuvor. Dennoch hielt Obama an seinem Zeitplan fest: Bis auf einen Rest von 8.000 Soldaten im Jahr 2014 sollten sich die USA vom Hindukusch zurückziehen. Damit habe Obama nicht allein den begrenzten Erfolg seiner Truppenaufstockung aufs Spiel gesetzt, sondern Sinn und Zweck des amerikanischen Einmarschs in Afghanistans insgesamt in Frage gestellt, so die Meinung Kugelmans und anderer Experten.

Afghanistan Flüchtlinge in Helmand und Kabul (Foto: DW/H. Sirat)
Flüchtlinge in der Nähe von Kabul. Sie kommen aus den Provinzen Kandahar und Helmand. Dort hatten Obamas Extra-Truppen schwerpunktmäßig ihren Einsatz.Bild: DW/H. Sirat

"Obamas Exit-Strategie nicht auf Realitäten in Afghanistan abgestimmt"

"Obamas übereilte Ausstiegsstrategie gemäß einem festen Zeitplan wirkte sich negativ auf die Kräfteverhältnisse im innerafghanischen Konflikt aus", sagt Timor Sharan von der International Crisis Group gegenüber DW.  Der Abzug der Amerikaner habe die Verteidigungsfähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte gegen einen erstarkten Feind geschwächt und zu einem Führungsvakuum geführt. Letzteres hätten Mächten wir Pakistan, Iran und Russland genutzt, um ihren Einfluss auf Afghanistan auszubauen.

Sharan weist auf zwei weitere Faktoren hin, einen innenpolitischen und einen wirtschaftlichen, die zusammen mit der massiven Truppenverringerung die Afghanistan-Politik Obamas hätten scheitern lassen. Das war zum einen die afghanische Präsidentschaftswahl 2014 mit ihrem unklaren Wahlausgang zwischen den beiden Rivalen Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah; ein Ergebnis, das zu weiterer Instabilität  und beinahe einem neuen Bürgerkrieg geführt hätte. Hinzu kamen die wirtschaftlichen Auswirkungen des NATO-Abzugs aus Afghanistan: Es floss viel weniger Geld uns Land, Beschäftigungsmöglichkeiten bei den zivilen und militärischen Arbeitgebern des Auslands nahmen rapide ab. "Obamas zeitliche Vorgaben stimmten nicht mit den Realitäten im Land überein", bilanziert Timor Sharan von der International Crisis Group. Das hätten sich die Taliban zunutze gemacht und ihre Stellung landesweit verstärkt.

US-Drohnen in Afghanistan (Foto: Reuters/J. Smith)
Drohnen als (umstrittenes) Mittel der Wahl gegen Anführer der ExtremistenBild: Reuters/J. Smith

Drohnenangriffe als Ersatz für Kampftruppen

Obama versuchte, die verringerte US-Truppenpräsenz durch verstärkte Drohnenangriffe auf Ziele im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet und darüber hinaus auszugleichen. So wurde Taliban-Chef Mansur 2016 durch eine von einer US-Drohne abgefeuerte Rakete in der pakistanischen Provinz Belutschistan getötet, das gleiche Schicksal ereilte den Chef des IS in Afghanistan, Hafis Said,  in der östlichen afghanischen Provinz Nangarhar. Der IS hat in Afghanistan laut Kugelman "kein starkes Profil", verfüge aber über eine "Präsenz in bescheidenem Umfang". Die Ausschaltung von Führungsfiguren (durch Drohnen) hält der Experte für eine "sehr wirksame Methode", um die Kampfmoral und den Zusammenhalt des IS in Afghanistan zu schwächen.

Offensichtlich hat aber die Drohnen-Strategie nicht verhindert, dass die Taliban nach dem Ende der US-Truppenverstärkung ihre Kontrolle über Distrikte in mehreren Provinzen ausbauen konnten.  Auch haben die zivilen Opfer dieser Angriffe nicht nur scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen hervorgerufen, sondern auch zum Zerwürfnis mit dem damaligen Präsidenten Hamid Karsai geführt. Er weigerte sich, ein Sicherheitsabkommen zu unterzeichnen, das es den USA gestattete, Militärstützpunkte in Afghanistan über 2015 hinaus zu unterhalten. Sein Nachfolger Ashraf Ghani  leistete dann die Unterschrift.

Obama und Sharif in Washington 2013 (Foto: Getty Images)
"Friede für Afghanistan" - Aber Pakistans Premier Nawaz Sharif und Obama verstanden darunter wohl verschiedenes Bild: Getty Images

Pakistan kooperiert nicht wie von USA gewünscht

Ein Kalkül hinter der amerikanischen Truppenaufstockung war, dass die erwartete militärische Niederlage der Taliban diese an den Verhandlungstisch zwingen würde. Beide Teile des Plans gingen bekanntlich nicht auf, wofür Experten wie Michael Kugelman vor allem Pakistan verantwortlich machen: "Islamabad stellte den Taliban weiterhin Schutzgebiete zur Verfügung und übte keinen Druck im Sinne Kabuls und Washingtons auf die Gruppe aus." Obama habe sich immerhin stark darum bemüht, einen Versöhnungsprozess in Afghanistan auf den Weg zu bringen.

Im Oktober 2015 forderten Obama und Pakistans Premier Nawaz Sharif bei dessen Besuch im Weißen Haus im Oktober 2015 die Führung der Taliban auf, "in direkte Gespräche mit Kabul einzutreten und sich für eine dauerhafte Friedenslösung einzusetzen."

Tatsächlich aber hielt Pakistan nach der Einschätzung der meisten Experten daran fest, den Taliban militärische und logistische Unterstützung zu gewähren, und zwar mit der Absicht, die Regierungen in Kabul zu destabilisieren. Der beste Beweis für anhaltende Unterstützung der Aufständischen durch Pakistans Militär ist gemäß dieser Analyse die jüngste Erstarkung der Taliban in verschiedenen Teilen des Landes. 

US-Soldaten in Afghanistan (Foto: AFP/Getty Images/N. Shirzada)
Wird Trump die US-Präsenz in Afghanistan wieder erhöhen?Bild: AFP/Getty Images/N. Shirzada

"Härtere Gangart gegenüber Islamabad nötig"

Obama modifizierte 2015 angesichts der verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan seinen Fahrplan. Ursprünglich wollte er alle US-Soldaten vor 2017 heimholen, jetzt sollen 5000 für unbestimmte Dauer im Land bleiben, um den afghanischen Sicherheitskräften zur Seite zu stehen. Der in den USA lebende Journalist und Autor Arif Jamal meint gegenüber der DW, es sei "naiv" von Obama gewesen zu glauben, dass Pakistan darauf verzichten würde, die Taliban als Mittel zur Einflussnahme in Afghanistan zu nutzen.

Der Terrorismus-Experte kritisiert Obama dafür, dass er nicht genügend Druck auf Pakistan ausgeübt habe, damit es seine Afghanistan-Politik verändere. "Zuckerbrot alleine reicht dafür nicht. Die USA müssen die Peitsche in Form von Sanktionen einsetzen, also ihre Militär- und Wirtschaftshilfe kürzen. Solange Hilfe der USA nach Pakistan fließt, wird sich die dortige Politik nicht ändern", gibt sich Jamal überzeugt. Pakistan hat in den vergangenen 15 Jahren über 20 Milliarden US-Dollar Militär- und Wirtschaftshilfe von den USA erhalten.